Nahrungsmittel-Steckbrief

 

 

Auch wenn der Name Süßkartoffel es vermuten lässt, so besteht dennoch kein näheres Verwandtschaftsverhältnis zur Kartoffel. Die beiden unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht.
 

Vermutlich ist die Süßkartoffel auch sehr viel älter als die Kartoffel. Die ältesten fossilen Funde, mittels Erbgutanalyse den Urformen der Süßkartoffel zugeordnet, stammen von den Südseeinseln: Der eine Fund ist datiert auf ein Alter von über 1 Million Jahre, der andere über 100.000 Jahre. In Ostindien wurde sogar ein 57 Millionen Jahre altes Fossil eines Windengewächses gefunden, welches eine Vor-Form der Süßkartoffel gewesen sein kann. Die Süßkartoffel ist also älter als wir Menschen.     

 

Botanik, Herkunft und Verbreitung

In vielen Quellen wird Südamerika als die Heimat der Süßkartoffel bezeichnet. Das ist aber laut neuester Forschung gar nicht so sicher. Urformen der Süßkartoffel wurden nicht nur in Mittel- und Südamerika, sondern auch in Polynesien gefunden. Offenbar haben die sehr robusten Samen, der Meeresströmung des pazifischen Ozeans folgend, den Weg, in welche Richtung auch immer, selbst genommen.
 

Der konsequente Anbau, die Kultivierung der Süßkartoffel, ist – laut archäologischen Funden – wahrscheinlich erstmals im Gebiet des Amazonas und auf halber Höhe der Anden in Peru vor mehr als 5000 Jahren erfolgt. Die gelungene Kultivierung der Süßkartoffel war wesentlich für den Beginn der Sesshaftigkeit in Peru. Frühzeitig etablierte sie sich zum Grundnahrungsmittel, auch in weiten Teilen Asiens, lange bevor sie in Europa bekannt wurde.
 

Die Süßkartoffel, auch Batate genannt, gemäß dem botanischen Namen Ipomoea batatas, gehört – im Gegensatz zur Kartoffelpflanze, die ein Nachtschattengewächs ist, – zu den Windengewächsen, ist also eine Kletterpflanze. Mit der Kartoffel hat sie allenfalls den hohen Gehalt an Stärke der unterirdisch gebildeten Knollen, aber sonst nur sehr wenig gemein.
 

Es gibt verschiedene Arten von Süßkartoffeln, mit zum Teil sehr phantasievollen Namen, wie z. B. Rose von Malaga, Lisa aus Tucamán, Beauregard, O’Henry, Jasper, dickzweigige Kalifornierin, Hundertjährige, Georgia-Jet, Elch. Die Unterschiede können sich in den oberirdischen Teilen zeigen, an der Blattgröße und Farbe, an der Länge der Ranken/Ausläufer oder in den Speicherorganen, den Knollen, unter der Erdoberfläche, die farblich zwischen Rot-, Violett-, Orange- und Braun-Tönen der Schale wechseln und im Inneren zwischen Weiß, Gelb und Orange und die unterschiedliche Nuancen im angedeutet nussartigen und leicht süßen Geschmack hervorbringen.
 

Der Anbau von Süßkartoffeln gelingt am besten in subtropischen Regionen. Sie lieben gleichmäßige Wärme, sind empfindlich gegen Frost und brauchen eine gleichmäßige Wasserversorgung, mögen aber keine „nassen Füße“. Manche Arten bevorzugen sandigen Boden, in jedem Fall ist ein lockerer, nährstoffreicher Boden wichtig.
 

Die Ranken der Pflanze können je nach Sorte und Bodenbeschaffenheit mehrere Meter lang werden, die herzförmigen Blätter bis zu 12 cm breit. Aus den Speicherwurzeln entwickeln sich die Knollen, die etwa 100–500 Gramm wiegen, teils aber auch bis zu mehreren Kilogramm schwer werden können. Die Vermehrung gelingt am einfachsten über Stecklinge aus den Ranken, aber auch über Neubildung von Sprossen aus der Knolle.
 

Aufgrund der besonderen Wachstums-Eigenschaften und Nährstoffdichte der Süßkartoffeln erwog die NASA sie sogar als potenzielle Nutzpflanze für längere Weltraum-Missionen. Die weltweit größten Produzenten von Süßkartoffeln sind China und die USA. Innerhalb der EU sind in Spanien und Portugal wichtige Anbaugebiete. Bis vor wenigen Jahren wurden Süßkartoffeln wegen ihrer klimatischen Ansprüche in Mitteleuropa noch nicht in nennenswertem Umfang angebaut. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass einige Sorten auch bei uns recht gut gedeihen. Sogar der Anbau im heimischen Garten oder auf dem Balkon ist kein Buch mit sieben Siegeln. Eine beliebte und unkomplizierte Sorte für den Anbau bei uns ist z. B. Beauregard, mit roter Schale und orangenem Fruchtfleisch. Aus einer Kreuzung dieser Sorte mit der „dickzweigigen Kalifornierin“ ist die in Spanien angebaute Sorte Pepita entstanden.   
 

Kulinarische Verwendung

Während man von der Kartoffel nur die Knolle essen darf, und auch diese nur in gekochter oder anderweitig gegarter Form, sind von der Süßkartoffelpflanze alle Teile essbar, und zwar gekocht, gebraten, gegrillt oder ggf. auch roh. Einige Süßkartoffel-Arten enthalten allerdings Blausäure in geringen Mengen, weshalb ein Erhitzen sicherheitshalber ratsam ist: Schon Temperaturen über 26° Celsius reichen aus, damit die Blausäure sich verflüchtigt.  
 

Die jungen Blättchen passen z. B. gehackt in ein Kräuterdressing oder in Kräuterquark; größere Blätter können wie Spinat verarbeitet werden. Die Knollen lassen sich auf vielfache Weise zubereiten und werden gerade in letzter Zeit auch in der Spitzengastronomie – wie z. B. bei Ottolenghi – immer beliebter. Aromatische Gewürze wie Koriander, Kurkuma, Zimt, Kumin, Chili passen sehr gut zu Süßkartoffeln, außerdem auch geröstete Samen und Nüsse und natürlich Knoblauch.
 

In den USA ist das Thanksgiving-Fest ohne Süßkartoffeln genauso wenig denkbar wie ohne Puter. Im asiatischen Raum, im Vorderen Orient und in vielen Ländern Afrikas gibt es traditionell eine Fülle von Süßkartoffelgerichten.

In Südkorea werden für das berühmte koreanische Gericht Japchae Glasnudeln aus Süßkartoffeln (Dangmyeon) verwendet, außerdem wird die Süßkartoffel (Goguma genannt) als Belag auf Pizza, als Chips oder in der Schale als Ganzes geröstet als Fingerfood im Straßenverkauf angeboten, als lavendelfarbiger Latte im Café oder in Desserts und sogar als Füllung in Torten verarbeitet oder auch destilliert (Soju).
 

In Japan ist eine karamellisierte frittierte Version (Dai­gakuimo) sehr beliebt, auch in der Bento-Box finden sich oft gekochte Süßkartoffeln in spezieller Soße, das Dessert Yokan wird ebenfalls mit Süßkartoffeln verfeinert, und als hochprozentiges Getränk ist der Imojochu beliebt, auch „japanischer Wodka“ genannt. Im vietnamesischen Gemüse-Curry Cà ri chai gesellen sich Auberginen, Austernpilze und Okra-Schoten zur Süßkartoffel. Eine Delikatesse und nicht ganz einfach herzustellen sind die vietnamesischen Süßkartoffel-Fischbällchen.

 

Traditionelle Verwendung als Heilmittel

In Japan wird traditionell eine besondere weiß-fleischige Süßkartoffel, roh verzehrt, zur Vorbeugung von Blutarmut, Bluthochdruck und Diabetes eingesetzt. Der Extrakt aus der Schale – Caiapo – wird in Japan inzwischen als Nahrungsergänzungsmittel verwandt.
 

In der Tibetischen Medizin wird der Verzehr von Süßkartoffeln vor allem in der kalten Jahreszeit empfohlen, um die so genannte Beken-Energie zu regulieren. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hielt die Süßkartoffel relativ spät Einzug. Ab dem frühen 19. Jahrhundert finden sich überlieferte Ansätze ihrer therapeutischen Verwendung, und zwar bei Erschöpfung, Schwäche und Kurzatmigkeit (mit braunem Zucker und Ingwer gekochte Version), bei Störungen der Verdauung (Paste aus Süßkartoffelpulver und Honig) sowie bei Störungen der Leber, sei es wegen Hepatitis oder nach Alkoholgenuss (mit braunem Zucker gekochte Version).
 

Im Ayurveda (der traditionellen Indischen Medizin) entscheiden die weiteren Zutaten, die Verarbeitungsweise und die Gewürze über die Indikation der Süßkartoffel.

 

Besondere Inhaltsstoffe

Selbst wenn Sie sich ausschließlich von Süßkartoffeln ernähren würden, besteht kaum ein Risiko eines Nährstoffmangels, denn Süßkartoffeln beinhalten eine sehr breite Palette an Vitaminen und Mineralien sowie
Mikronährstoffen. Herausragend ist allerdings ihr Gehalt an Vitamin A und dessen Vorstufen.


Warum sind Süßkartoffeln gerade für Menschen mit Spondyloarthritis so wertvoll?

1. Süßkartoffeln können hilfreich sein in der Bekämpfung chronischer Entzündungsprozesse. Sie gehören zu den Gemüsearten mit dem höchsten Gehalt an anti­oxidativ wirkenden Stoffen: Sie sind reich an Vitamin A (1,3 mg/100 Gramm, der Verzehr von 100 Gramm Süßkartoffeln übertrifft also bereits die empfohlene Tagesdosis für Erwachsene von 0,8–1 mg) und sie enthalten außerdem reichlich Provitamin A, vor allem Beta-Carotin (8 mg/100 Gramm). Darüber hinaus enthalten sie das antioxidative Vitamin E (4,5 mg/100 Gramm, der Verzehr von 100 Gramm Süßkartoffeln deckt also ein Drittel des Tagesbedarfs von Erwachsenen). Hinzu kommen 30 mg Vitamin C in 100 Gramm Süßkartoffeln, also ebenfalls ein Drittel des Tagesbedarfs Erwachsener.
 

Antioxidative Stoffe helfen uns in der Neutralisierung freier Radikale, die ihrerseits bei chronischen Entzündungen und bei ungünstigen Umwelt- und Lebensstil-Bedingungen entstehen und die den Entzündungsprozess unterhalten können. Mit dem regelmäßigen Verzehr von Süßkartoffeln können wir also einen kleinen Beitrag zur Unterbrechung dieses Teufelskreises liefern.
 

2. Süßkartoffeln sind hilfreich in der Abwehr unerwünschter Keime. Der hohe Vitamin-A-Gehalt unterstützt in Verbindung mit dem Vitamin-C-Gehalt bereits auf der Ebene unserer Schleimhäute die Abwehr.
 

3. Süßkartoffeln sind nützlich für unser Mikrobiom im Darm, und zwar aufgrund ihres hohen Gehalts an Ballaststoffen (3,1 Gramm/100 Gramm).

Ballaststoffe, die ihren Namen übrigens völlig zu Unrecht tragen, da sie kein Ballast sind, können zwar von uns selbst nicht aufgeschlossen, also verdaut werden, liefern aber unsern Mikroben ihre Nahrungsgrundlage und tragen bei zu einer gesunden Vielfalt des Mikrobioms. Dies ist wieder wichtig für ein ausgewogenes Immunsystem.    

 

4. Süßkartoffeln sind hilfreich in der Vorbeugung vor und Behandlung von Stoffwechselerkrankungen, vor allem Diabetes mellitus und Störungen des Cholesterin-Haushaltes. In ihrer Schale enthalten sie nämlich den Stoff Caiapo, der antidiabetisch und senkend auf das LDL-Cholesterin wirkt, wie mit einer placebokontrollierten Studie der Universitäten in Wien und in Padua durch Gabe von 4 Gramm Caiapo pro Tag über den Zeitraum von 3 Monaten bei Diabetes-Betroffenen gezeigt wurde (Bernhard Ludvik et al. 2004).

In Japan ist Caiapo als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich. Zum Erhalt eines normalen Blutdrucks tragen Süßkartoffeln möglicherweise auch durch ihren Kaliumgehalt (400 mg/100 Gramm) und durch ihren Gehalt an Coenzym Q10 bei, ein für Herz und Blutgefäße wichtiger Stoff, der auch der Zellalterung entgegenwirkt.

 

Achtung

Einzelne Süßkartoffelsorten enthalten geringe Mengen an Blausäure, weshalb es sicherer ist, sie nicht roh zu essen. Die gute Nachricht: Bereits bei Temperaturen über 26° Celsius wird die Blausäure abgebaut.   

 

Einkauf, Lagerung und Anwendung

Süßkartoffeln sollten am besten in Bio-Qualität oder zumindest aus europäischen Anbauregionen gekauft werden – oder gleich selbst angebaut werden.
 

Leider gelten in vielen Nicht-EU-Staaten großzügigere Regeln für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Dies fällt zwar vor allem bei Lebensmittel-Kontrollen von Blattpflanzen und frischen Früchten immer wieder auf und Wurzeln und Knollen sind seltener und weniger belastet. Dennoch ist m. E. Vorsicht der beste Ratgeber. Auch der Nitratgehalt in Süßkartoffeln kann bei Nicht-Bioware manchmal beträchtlich sein, was auf großzügigen Einsatz von Düngemitteln schließen lässt.   
 

Wenn Süßkartoffeln lichtgeschützt und trocken gelagert werden, durchaus bei Zimmertemperatur, besser noch im Bereich um 15 Grad, aber auf keinen Fall im Kühlschrank (!), sind sie durchaus einige Wochen, ja sogar Monate lang haltbar.
 

Apropos Lichtschutz: Im Gegensatz zu Kartoffeln bilden Süßkartoffeln unter Lichteinfluss kein giftiges Solanin; die lichtgeschützte Lagerung dient hier dem Erhalt der Vitamine bzw. Antioxidantien.
 

Bioware kann mit Schale verarbeitet werden, was einen Zugewinn an Antioxidantien und am erwähnten Stoff Caiapo bewirkt. Ob Sie nun eine mehr oder weniger milde Süßkartoffelsuppe zubereiten, ob Sie die Süßkartoffeln halbiert oder in mundgerechte Spalten geschnitten, mit einer Chili-Salz-Öl-Mischung bestrichen, im Ofen schmoren oder ob Sie sich ein Gemüse-Curry in der Pfanne zubereiten oder sich gar an ein raffiniertes asiatisches Rezept  wagen, es lohnt sich auf jeden Fall, dieses vitaminreiche und schmackhafte Gemüse in den Speiseplan aufzunehmen. Und es lohnt sich auch der Eigenanbau.