Morbus Bechterew: Welchen Einfluss hat die Ernährung?

Patientengemäßer Bericht über die Literatur-Übersicht „Relationship between diet and ankylosing
spondylitis: A systematic review“ von Dr. Tatiana V. Macfarlane, Hadeel M. Abbood, Dr. Ejaz Pathan, Katy Gordon, Juliane Hinz und Prof. Dr. Gary J. Macfarlane von der Universität in Aberdeen (Schottland), erschienen im European Journal of Rheumatology Band 5 (2018) S. 45–52

 

Es gibt überzeugende Forschungsergebnisse, die besagen, dass die Ernährung bei vielen Krankheiten eine Rolle spielt. In einer in den USA durchgeführten Studie zeigte sich, dass eine Ernährung mit Früchten, Gemüse, Vollkorn, Geflügel und Fisch das Risiko verringert, an rheumatoider Arthritis zu erkranken. Die übliche Ernährung in den Industrieländern mit ihrem hohen Anteil an Fleisch, feingemahlenem Getreide, Kartoffelchips, Süßigkeiten und fettreichen Milchprodukten steigert dagegen das Risiko, an rheumatoider Arthritis zu erkranken. Eine Auswertung placebo-kontrollierter1 Studien an Patienten mit rheumatoider Arthritis ergab, dass Fisch-Öl bei dieser Krankheit die Zahl schmerzender Gelenke und die Morgensteifigkeit reduziert, als Wirkung der darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren.  
Beim Morbus Bechterew wurde durch EBRINGER eine stärkearme Ernährung empfohlen, weil das Bakterium Klebsiella pneumoniae, das auf Stärke angewiesen ist, zur Entstehung und Aufrechterhaltung eines Morbus Bechterew beitragen kann. Ein solcher Zusammenhang zwischen Ernährung und Morbus Bechterew ist aber bis heute nie systematisch untersucht worden.
Professor Gary MACFARLANE und seine Mitverfasser in Schottland haben deshalb die wissenschaftliche Literatur auf entsprechende Hinweise durchsucht, um zu klären,
1.    ob Morbus-Bechterew-Patienten sich anders ernähren als Personen ohne diese Krankheit,
2.    ob es bei Morbus-Bechterew-Patienten einen Zusammenhang zwischen der Ernährung und der Schwere der Erkrankung gibt,
3.    ob Personen mit einer bestimmten Ernährung seltener an Morbus Bechterew erkranken, und
4.    ob bestimmte Ernährungsarten die Morbus-Bechterew-Symptome mildern.

16 Veröffentlichungen wurden ausgewertet

Die Forscher berücksichtigten in ihre Literatur-Recherche alle Veröffentlichungen über Studien zur Ernährung bei Morbus Bechterew, aber keine Einzelfall-Berichte oder Beobachtungsstudien mit weniger als 5 Patienten. Studien zum Alkohol-Gebrauch wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.
Nach Aussortierung irrelevanter Veröffentlichungen und Duplikaten konnten 10 ausführliche Veröffentlichungen, 2 Leserbriefe, 2 in Übersichtsartikeln erwähnte Studien und 2 Zusammenfassungen, die bei Konferenzen eingereicht worden waren, ausgewertet werden.
Die Studien untersuchten unterschiedliche Nahrungsmittel und Nahrungsbestandteile in Bezug zum Morbus Bechterew. Am häufigsten wurde der Verzehr von stärkearmen Nahrungsmitteln und Milchprodukten untersucht.
Die Qualität und Aussagekraft der Studien war im Allgemeinen niedrig bis sehr niedrig. Nur 2 Studien erfüllten vollständig die Qualitätskriterien.
Keine der Studien befasste sich mit der Frage 3, ob Personen mit einer bestimmten Art der Ernährung seltener an Morbus Bechterew erkranken.

Ergebnisse zur Frage 1: Ernähren sich Morbus-Bechterew-Patienten anders?

Nur in einer Studie wurde untersucht, ob Morbus-Bechterew-Patienten sich anders ernähren als Personen ohne diese Krankheit. Die Morbus-Bechterew-Patienten nahmen mit der Nahrung im Mittel signifikant2 mehr Energie (1.940 kcal pro Tag) zu sich als Gesunde (1.819 kcal pro Tag), und dies auch, wenn man die körperliche Aktivität, das Körpergewicht, Geschlecht und Alter der Probanden berücksichtigt.

 

 

2. Zusammenhang zwischen Ernährung und Schwere der Erkrankung

 

Tabelle 1: Zusammenstellung der Ergebnisse zu bestimmten Nahrungsmitteln

 

 

 

Anzahl der Studien

Teilnehmerzahl

Ergebnis

Studien­qualität

 

 

Stärkereiche Nahrung

2

405

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

 

1

12

kein Einfluss auf Blutsenkung, CRP, Lebensqualität

 

 

 

 

1

12

signifikanter Einfluss auf BASDAI, BASFI, BAS-G

 

 

 

 

1

111

Symptom-Verschlimmerung

 

 

 

Stärkearme Nahrung

2

110

signifikante Besserung der Symptome und Blutsenkung

sehr niedrig

 

 

Milchprodukte

3

504

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

keine Milchprodukte

1

25

selbstberichtete therapeutische Wirkung

sehr niedrig

 

 

Fisch

1

111

kein Einfluss

sehr niedrig

 

 

wenig / viel Fischöl

1

18

kein signifikanter Unterschied

sehr niedrig

 

 

Fleisch und Fleischprodukte

2

404

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

Früchte und Gemüse

1

111

Symptomverschlimmerung

sehr niedrig

 

 

Probiotische Nahrungsergänzung

1

18

signifikanter Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

niedrig

 

 

2

196

kein signifikanter Einfluss auf BASDAI, BASFI, CRP

 

 

 

Salz

1

100

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

Fertiggerichte

1

293

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

 

 

 

 

 

Insgesamt sind die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Ernährung und Schwere der Erkrankung begrenzt. Manche konnten mangels Daten zu den Unterschieden im Krankheitsverlauf und zum Umfang der Aufnahme der Nahrungsmittel nicht analysiert werden.
HAUGEN u.a. berichteten 1991, dass 78% der Morbus-Bechterew-Patienten überzeugt sind, dass die Ernährung ihre Beschwerden beeinflusst, und dass ein Drittel der Patienten eine Verschlechterung nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel erwähnte. Die dabei am häufigsten erwähnten Nahrungsmittel waren Fleisch, Kaffee, Süßigkeiten, Zucker, Schokolade, Zitrusfrüchte und Äpfel. 16% der Morbus-Bechterew-Patienten versuchten es auf eigene Initiative mit einer Fastenzeit, und die Mehrheit von ihnen berichtete über geringere Schmerzen, weniger Steifheit und weniger Gelenkschwellungen. 20% der Morbus-Bechterew-Patienten hatten es vorher mit einer laktovegetarischen oder veganen Ernährung versucht.
Während eine Studie einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Stärke-Zufuhr und der Krankheitsaktivität (BASDAI ), der Behinderung (BASFI) und dem allgemeinen Gesundheitszustand (BAS-G) ergab, wurde in anderen Studien kein solcher Zusammenhang gefunden. Es gab auch keinen Zusammenhang zwischen der Stärke-Zufuhr und der Lebensqualität oder den Entzündungs-Laborwerten (CRP und Blutsenkungsgeschwindigkeit).

Ein kleiner Teil der Patienten (1,8%) berichtete über eine Verschlimmerung der Beschwerden im Zusammenhang mit Mehlspeisen. SILVA und seine Mitverfasser in Portugal schlossen aus ihren Ergebnissen, dass eine vermehrte Stärke-Zufuhr mit einer Zunahme der Krankheitsaktivität und der Behinderung verknüpft ist.
Drei Studien zum Einfluss von Milchprodukten ergaben keinen Einfluss auf die Krankheitsaktivität (Tabelle 2). Auch beim Fisch und bei Omega-3-Fettsäuren wurde kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität gefunden.

 

Tabelle 2: Zusammenstellung der Ergebnisse zu bestimmten Nahrungsmittel-Bestandteilen

 

 

 

Anzahl der Studien

Teilnehmerzahl

Ergebnis

Studien­qualität

 

 

Energie-Gehalt

1

111

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

Eiweiß-Gehalt

2

177

kein Einfluss auf BASDAI, Blutsenkung, CRP

sehr niedrig

 

 

Kohlehydrate

2

177

kein Einfluss auf BASDAI, Blutsenkung, CRP

sehr niedrig

 

 

Fett-Gehalt

1

111

signifikanter. Einfluss auf BASDAI bei weibl. Patienten

sehr niedrig

 

 

 

1

66

kein Einfluss auf BASDAI, Blutsenkung, CRP

 

 

 

Balaststoffe

1

111

kein Einfluss auf die Krankheitsaktivität (BASDAI)

sehr niedrig

 

 

Gesättigte Fettsäuren

2

177

kein Einfluss auf BASDAI, Blutsenkung, CRP

sehr niedrig

 

 

Mehrfach ungesättigte

2

177

kein Einfluss auf Krankheitsaktivität (BASDAI) und CRP

sehr niedrig

 

 

Fettsäuren

1

66

signifikanter Einfluss auf die Blutsenkung

 

 

 

Linolensäure

1

66

kein Einfluss auf BASDAI, Blutsenkung, CRP

sehr niedrig

 

 

Langkettige Omega-3-Fettsäuren

2

177

kein Einfluss auf Krankheitsaktivität (BASDAI) und CRP

sehr niedrig

 

 

 

1

66

signifikanter Einfluss auf die Blutsenkung

 

 

 

 

 

 

 

 

SUNDSTRÖM u.a. fanden in einer Studie mit 111 Patienten, dass sich bei 7 Patienten die Gelenkschmerzen und weitere Morbus-Bechterew-Sym¬ptome unter bestimmten Nahrungsmitteln (bei 2 Patienten Gemüse oder Früchte, bei 2 Patienten Mehlspeisen) verschlimmerten.
TAŞPINAR u.a. berichteten, dass Salz und Schnellgerichte keinen Einfluss auf die Krankheitsaktivität haben.
SUNDSTRÖM u.a. fanden keinen Zusammenhang zwischen der Fett-Zufuhr und der Krankheitsaktivität. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit wurde aber durch vielfach ungesättigte Fettsäuren und langkettige Omega-3-Fettsäuren signifikant gebessert.
CHATFIELD u.a. berichteten, dass 83% der Morbus-Bechterew-Patienten sich mit alternativen Methoden behandeln ließen und 72% auch ihre Ernährung modifizierten, z.B. mit Fischöl, grünem Tee und Vitaminen. In Bezug auf Entzündungslaborwerte, Krankheitsaktivität, Behinderung und Lebensqualität gab es keinen signifikanten Unterschied zu Patienten ohne modifizierte Ernährung.

4. Milderung von Morbus-Bechterew-Symptomen

APPELBOOM u.a. untersuchten in einer Studie mit 25 Teilnehmern, ob die Vermeidung von Milchprodukten einen Einfluss auf die Krankheitsaktivität hat. 52% der Teilnehmer berichteten nach 6 Wochen über eine Besserung, und viele konnten sogar die nicht-steroidalen Antirheumatika absetzen. Nach 6 Monaten befolgten noch 10 Patienten diese Diät, und nach 2 Jahren noch 6 Patienten. Sie benötigten keine sonstige Behandlung.
SUNDSTRÖM u.a. berichteten über eine Studie, bei der ein Teil der Teilnehmer hochdosiertes Fischöl bekam, die anderen nur niedrigdosiertes Fischöl. Nach 21 Wochen war die Krankheitsaktivität (BASDAI4) in der Gruppe mit hochdosiertem Fischöl im Mittel signifikant erniedrigt, während die Blutsenkungsgeschwindigkeit in der Gruppe mit niedrig-dosiertem Fischöl signifikant erhöht war. Weitere signifikante Veränderungen wurden nicht gefunden und es gab auch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.
In einer kleinen Studie wurden Patienten mit aktivem Morbus Bechterew und beschwerdearmer Colitis ulcerosa mit Milchsäurebakterien behandelt. Der BASDAI erniedrigte sich im Mittel von 5,8 auf 4. In zwei weiteren Studien hatte eine probiotische3  Nahrungsergänzung jedoch keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf (Tabelle 2).
Ein von FELDTKELLER, LIND-ALBRECHT und RUDWALEIT in Rheumatology International veröffentlichter Kernsatz zum Verhalten von Morbus-Bechterew-Patienten4 empfiehlt die Reduktion des Fleisch-Verzehrs und den vermehrten Verzehr von Fisch und vegetarischen Gerichten sowie die Aufnahme von genügend Vitamin D und Kalzium zur Vorbeugung gegen Osteoporose.

Anschrift der erstgenannten Verfasserin:
Epidemiology Group, University of Aberdeen
School of Medicine, Medical Sciences and Nutrition
Aberdeen, UK

Anmerkung der Redaktion: Bitte teilen Sie uns mit, welche persönlichen Erfahrungen Sie in Bezug auf einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Krankheitsverlauf gemacht haben.

1) Bei einer placebo-kontrollierten Studie bekommt eine Vergleichsgruppe eine Schein-Behandlung, z.B. ein Scheinmedikament (Placebo).
2) Ein statistischer Unterschied gilt als signifikant (statistisch abgesichert), wenn die Wahrscheinlichkeit p dafür, dass er durch Zufall entstanden ist, kleiner als 5% ist.
3 lebende Mikroorganismen (z.B. Milchsäurebakterien) enthaltend
4) siehe www.bechterew.de/link/mb-verhalten

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