Verlauf der COVID-19-Erkrankung bei Rheuma-Patienten

Patientengemäßer Bericht über die Veröffentlichung „Clinical outcomes of hospitalised patients with COVID-19 and chronic inflammatory and autoimmune rheumatic diseases
von José Luis Pablos und 15 weiteren Verfassern aus spanischen Instituten und Kliniken, erschienen in Annals of the Rheumatic Diseases Band 79 (2020) S. 1544–1549

Das Spektrum des Krankheitsverlaufs nach einer Infektion mit dem neuen Corona-Virus reicht von einem beschwerdelosen bis zu einem lebensbedrohlichen Verlauf. Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sind höheres Alter, männliches Geschlecht und eine Reihe von Vorerkrankungen.
Autoimmunerkrankungen und immunsuppressive (das Immunsystem unterdrückende) Therapien erhöhen das Risiko, an einer virus- oder bakterien-bedingten Infektion zu erkranken. Zu wissen, wie sich COVID-19 bei Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Krankheit auswirkt, ist deshalb von eminentem Interesse.
Dr. José Luis PABLOS vom Forschungsinstitut 12. Oktober in Madrid und seine Mitverfasser haben deshalb in einer multizentrischen (in Zusam-menarbeit vieler Kliniken durchgeführten) Studie untersucht, wie sich eine rheumatische Vorerkrankung auf den COVID-19-Verlauf auswirkt und welche Risikofaktoren dabei eine Rolle spielen.

Untersuchungsmethode

Für die Untersuchung wurde auf Datenbanken zugegriffen, in denen die Befunde bei Patienten mit rheumatischen Krankheiten erfasst sind. 228 Rheumapatienten (60% mit rheumatoider Arthritis, Psoriasisarthritis oder Spondyloarthritis, 40% mit Bindegewebskrankheiten), bei denen eine COVID-19-Erkrankung festgestellt worden war und von denen die meisten deshalb in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, wurden verglichen mit 228 COVID-19-Patienten ohne rheumatische Vorerkrankung mit gleicher Alters- und Geschlechtsverteilung.
Fettleibigkeit war bei den Rheumapatienten doppelt so häufig (32%) wie in der Vergleichsgruppe (17%), und Herz-Kreislauf-Erkrankungen 1½-mal so häufig (28% gegenüber 18%), während es in Bezug auf Diabetes, Bluthochdruck und Lungenkrankheiten keine signifikanten Unterschiede gab. 
40% der Rheumapatienten wurden mit Corticosteroiden behandelt, 57% mit DMARDs (28% mit Methotrexat, 12% mit Anti-Malaria-Medikamenten, 9% mit Leflunomid und 7% mit Sulfasalazin) und 23% mit Biologika (davon 15% mit TNF-alpha-Blockern). Bei den meisten Patienten (86%) wurden die immunsuppressiven Medikamente (außer den Corticosteroiden) entweder gleich bei der COVID-19-Diagnose oder bei der Krankenhaus-Einweisung abgesetzt.

 

Tabelle 1: Auswirkungen der COVID-19-Krankheit bei Patienten mit und ohne eine entzündlich-rheumatische Krankheit im Vergleich

 

 

 

Rheuma-patienten

Vergleichs­gruppe

p

 

 

Krankenhauseinweisung

71%

77%

n.s.

 

 

Lungenentzündung

69%

83%

0,001

 

 

Atembeschwerden

56%

63%

n.s.

 

 

Intensivstations-Behandlung

7%

7%

n.s.

 

 

schwere Komplikationen

28%

24%

n.s.

 

 

    Herzversagen

5%

1,8%

(0,056)

 

 

    Gehirnstörungen

1,4%

3,5%

n.s.

 

 

    Thrombotische Störungen

2,7%

2,6%

n.s.

 

 

    Nierenversagen

14%

14%

n.s.

 

 

    Septischer Schock

7%

5%

n.s.

 

 

gestorben

18%

13%

n.s.

 

 

n.s.=nicht signifikant

 

 

Untersuchungsergebnisse

Der Verlauf der COVID-19-Krankheit in den beiden Patientengruppen ist in der Tabelle 2 gegenübergestellt. Einen signifikanten Unterschied gab es nur bei der im Röntgenbild festgestellten Lungenentzündung, die in der Vergleichsgruppe hochsignifikant häufiger war. Unter den schweren Komplikationen war ein Herzversagen bei den Rheumapatienten (nicht-signifikant) häufiger, während es bei allen anderen Befunden kaum Unterschiede gab.
Das Risiko, besonders schwer an COVID-19 zu erkranken, betrug bei den Rheumapatienten 32% und in der Vergleichsgruppe 28% der Erkrankten.

Unabhängige Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf waren
•    ein Alter von mehr als 60 Jahren,
•    männliches Geschlecht,
•    die in Tabelle 2 aufgeführten Begleit-Erkrankungen (Fettsucht, Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen) und
•    rheumatische Bindegewebserkrankungen (systemischer Lupus erythematodes, systemische Sklerose, Vasculitis etc.),
nicht aber die entzündlichen Gelenk-Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Spondyloarthritis).
Von den entzündungshemmenden Medikamenten war nur der Gebrauch von Corticosteroiden ein Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf, während der Gebrauch von DMARDs oder Biologika (einschließlich TNF-alpha-Blockern) das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs nicht erhöhte.
Unterschiede in der Risiko-Erhöhung zwischen Rheumapatienten und Patienten ohne rheumatische Krankheit sind in der Tabelle 2 zusammengestellt. Nur bei Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen war der Unterschied statistisch signifikant.

 

Tabelle 2: Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der COVID-Erkrankung und Faktoren der Risiko-Erhöhung (relatives Risiko)

 

 

 

Rheuma-patienten

Vergleichs­gruppe

p

 

 

Alter über 60 Jahre

4,0

3,7

n.s.

 

 

männliches Geschlecht

1,6

2,2

n.s.

 

 

Fettsucht (BMI > 30 kg/m2)

1,6

1,2

n.s.

 

 

Diabetes

1,9

0,95

0,04

 

 

Bluthochdruck

2,3

1,6

n.s.

 

 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen          

2,9

1,4

0,02

 

 

Lungen-Erkrankungen

1,7

1,6

n.s.

 

 

 

 

 

 

 

 
Schlussfolgerungen

Die bekannten Risikofaktoren, hohes Alter, männliches Geschlecht und eine Reihe von Begleiterkrankungen, erhöhen auch bei Rheumapatienten das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf. Der Gebrauch von immunsuppressiven Medikamenten (einschließlich der bei einer Spondyloarthritis häufig eingesetzten TNF-alpha-Blocker, bei den meisten Patienten spätestens bei der Krankenhauseinweisung abgesetzt) erhöht dagegen nicht das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf.    
    
Anschrift des erstgenannten Verfassers:
Servicio de Reumatología,
Instituto de Investigación Hospital 12 de Octubre,
Madrid, Spanien

Hinweise der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur Impfung gegen COVID-19 für Rheuma-Betroffene

Die Immunsuppression sollte zum Zeitpunkt der Impfung so gering wie möglich sein. Allerdings sollen Betroffene auf keinen Fall für die Impfung ihre Basistherapie absetzen oder verändern. Als Ausnahme gilt die Gabe von Substanzen, die langanhaltend wirksam die Immunantwort der B-Zellen stören, also Rituximab. Für Betroffene, die diesen Wirkstoff bekommen, sollte der Rheumatologe gemeinsam mit dem Betroffenen über eine Therapiepause oder eine Umstellung auf alternative Therapien erwägen.
Laut Zulassung soll die Impfung zweimal im Abstand von vier Wochen erfolgen. Wenn das Immunsystem von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und mit entsprechender Therapie nicht ausreichend reagiert, muss eine Auffrischung gegebenenfalls früher erfolgen. Dazu werden Daten laufender Impfstudien und -beobachtungen kontinuierlich ausgewertet.
Unabhängig vom Coronavirus sollten Betroffene sich gegen Pneumokokken (bestimmte Erreger schwerer Lungenentzündungen) und Influenza-Grippe impfen lassen. Es gibt Hinweise, dass Menschen mit Grippeschutzimpfung sich seltener mit SARS-CoV-2 infizieren.

 

 

 

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