Wirksamkeit einer manuellen Mobilisation der Brustwirbelsäule bei Morbus-Bechterew-Patienten
Von Prof. Dr. Uwe Lange, Dr. Martin Sperling, Dr. Katrin Richter-Bastian, Dr. Gabriel Dischereit, Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner und Dr. Ingo H. Tarner, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim
In Kürze: Die Wirksamkeit einer Kombination aus manueller Mobilisation der Brustwirbelsäule und konventioneller Physiotherapie bei Morbus Bechterew wurde in einer Studie verglichen mit nur konventioneller Physiotherapie. Das Ott-Zeichen als Maß für die Beugefähigkeit der Brustwirbelsäule, die Atembreite und die Vitalkapazität waren in der manuell behandelten Gruppe nach der Therapie signifikant größer als in der Vergleichsgruppe (Bild 2 und Bild 3). Auch in Bezug auf die Krankheitsaktivität, die Behinderung und den Medikamentenbedarf war die manuelle Mobilisation wirksamer als die konventionelle Physiotherapie (Bild 4 und Bild 5).

Im multidisziplinären Behandlungsplan der ankylosierenden Spondylitis (Morbus Bechterew) spielt die Physiotherapie eine wesentliche Rolle. Dazu gehören Bewegungsübungen zuhause, Einzel- oder Gruppentherapie unter physiotherapeutischer Anleitung und evtl. weitere physikalische Therapien. Die Physiotherapie sollte aus Haltungsübungen, Atemtherapie und Streckübungen bestehen.
Studie zur Wirksamkeit manueller Therapie beim Morbus Bechterew
Auf Grund der guten Wirksamkeit der Physiotherapie haben wir in einer Studie die Wirksamkeit einer manuellen Mobilisation der Brustwirbelsäule auf die Beweglichkeit, die Atemfunktion und die Krankheitsaktivität von Morbus-Bechterew-Patienten ohne knöcherne Versteifung der Brustwirbelsäule untersucht.
In die Studie eingeschlossen wurden 24 stationär in unserer Rheumaklinik behandelte Morbus-Bechterew-Patienten. Ausschlusskriterien waren gegenwärtige Entzündungszeichen im Magnetresonanzbild der Brustwirbelsäule, teilweise oder vollständige Ankylose (knöcherne Versteifung) der Brustwirbelsäule und Kontraindikationen gegen eine manuelle Behandlung (Verletzungen, Osteoporose, Behandlung mit einem blutgerinnungshemmenden Arzneimittel).
Alle Patienten wurden konventionell physiotherapeutisch behandelt (6 Behandlungseinheiten mit Bewegungsübungen, Atemtherapie, Rückenmassage, Elektrotherapie und Schlammpackungen, verteilt über 9 Tage).
Danach wurden die Patienten nach dem Zufallsprinzip auf zwei gleich große Gruppen verteilt. 12 der Patienten wurden in 6 weiteren Behandlungseinheiten mit manueller Therapie der Brustwirbelsäule behandelt, während die übrigen 12 Patienten (Vergleichsgruppe) weiter mit konventioneller Physiotherapie behandelt wurden.
Manuelle Mobilisationstechnik
Zur Vorbereitung der manuellen Therapie saßen die Patienten zunächst aufrecht auf einem Hocker (Ausgangsposition), beugten dann die Hals- und Brustwirbelsäule maxi-mal nach vorn und streckten sie anschließend so weit wie möglich. Innerhalb von 2–3 Minuten wurde dies 8- bis 10-mal wiederholt.
Die Patienten lagen dann bäuchlings auf der Behandlungsliege mit beiden Armen neben dem Körper. Zur Mobilisation der einzelnen Wirbel fixierte der Therapeut mit seinem rechten Zeige- und Mittelfinger zunächst die Querfortsätze eines Brustwir-bels und führte dann mit der Kante der linken Hand eine Druckbewegung von oben nach unten unter gleichzeitiger Gleitbewegung Richtung Lendenwirbelsäule durch (Bild 1). Jedes Segment der Brustwirbelsäule wurde auf diese Weise 3 Minuten lang behandelt.
Nach jeder Behandlungseinheit wurde zur Stabilisierung die erreichte Beweglichkeit durch propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (Krankengymnastische Behandlung mit dreidimensionalen Bewegungsmustern, um das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln zu fördern und dadurch normale Bewegungsmuster zu erleichtern) 2–3 Minuten lang eingeübt.




Studienergebnisse
Die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, gemessen mit dem Ott-Zeichen war nach der mit manueller Mobilisation kombinierten Physiotherapie unmittelbar nach der Behandlungsserie und einen Monat später signifikant größer als in der Vergleichsgruppe (Bild 2).
Auch in Bezug auf die Atembreite und die Lungenfunktion war die kombinierte Therapie signifikant wirksamer als die konventionelle Physiotherapie ohne manuelle Mobilisation (Bild 3). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war auch nach 3 Monaten noch signifikant.
Auch in Bezug auf die Krankheitsaktivität und die Behinde-rung bei Alltagsverrichtungen erwies sich die Kombination mit manueller Mobilisation als signifikant wirksamer als die konventionelle Physiotherapie ohne manuelle Therapie (Bild 4 und Bild 5). Bemerkenswert ist dabei, dass 7 der 12 mit manueller Mobilisation behandelten Patienten am Ende der Behandlungs-Serie die Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) absetzen konnten und die Medikamenteneinnahme auch in den 3 Folgemonaten nicht wieder aufnehmen mussten. In der Vergleichsgruppe war das bei keinem der Patienten möglich.
Schlussfolgerungen
In internationalen Empfehlungen und Leitlinien für die Therapie des Morbus Bechterew wird sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Therapie empfohlen. Die nicht-medikamentöse Therapie umfasst Patientenschulung und Bewegungsübungen. Auch Wärme- und Kälte-Anwendungen haben sich bewährt. Bewegungsübungen zuhause haben sich als wirksam erwiesen und fachlich angeleitete Physiotherapie als noch wirksamer.
Unsere Ergebnisse belegen, dass die Physiotherapie beim Morbus Bechterew ohne Ankylose (knöcherne Versteifung) der Brustwirbelsäule mit manueller Therapie kombiniert werden sollte. Sie bedeuten aber nicht, dass Physiotherapie ohne manuelle Therapie unwirksam wäre: Viele Teilnehmer unserer Studie nahmen schon vor Beginn der Studie regelmäßig an einer physiotherapeutischen Behandlung teil, so dass der dadurch erreichte Zustand durch die Physiotherapie im Rahmen unserer Studie aufrechterhalten wurde.
Kontakt: U.Langekerckhoff-klinikde
Quelle: Gekürzte patientengemäße Übersetzung eines im Journal of Musculoskeletal Disorders and Treatment Band 2 (2016) Ausgabe 2 erschienenen Artikels (dort mit ausführlichem Literaturverzeichnis)