Erfahrungsbericht

Heinz Konopka, 98 Jahre, aus Bochum

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Bewegung ist alles – jeglicher Stillstand ist Rückgang

Im Mai diesen Jahres feierte ich meinen 98. Geburtstag – und den größten Teil meines langen Weges war der Morbus Bechterew immer dabei. Bis heute kämpfe ich Tag für Tag gegen ihn; nie hab ich aufgegeben. Jeden Morgen fange ich bereits mit Übungen (zur Gleichgewichtsstabilisierung am Bettgestell) an, mit Kniebeugen, Dehn- und Streckübungen und tatsächlich – ganz wichtig! – Atemübungen.

Was gab mir die Kraft  über all die Jahre? Zum einen war das mein tiefer Glaube und das unerschütterliche Gottvertrauen, zum andern meine treusorgende Ehefrau und fleißige Gefährtin und zum Dritten die Chance, fortwährend und noch immer ehrenamtlich seelsorgerisch tätig zu sein.

Aber der Reihe nach: Im Mai 1926 wurde ich in Bochum geboren, in eine Familie mit den damals fast normalen, von Armut geprägten Verhältnissen zwischen Bergbau und Stahlproduktion. Mein Kindheits- und Jugend-Traum, einmal Lehrer zu werden, fiel dem Krieg und der nachfolgenden Besatzungszeit zum Opfer. Drei Jahre als Bergmann unter Tage verpflichtet „vor Ort, 8. und  9. Sohle im Aufhau’n“, brachten mich an den Rand meiner Kräfte. Trotz Zusatzrationen war ich völlig ausgemergelt und vielleicht fing damals auch schon der Bechterew an, ich weiß es nicht. Die Diagnose erhielt ich erst 1957 durch den Werksarzt.

Zum Glück hatte ich inzwischen als Pförtner bei der BV-Aral beginnen können, von wo aus ich mich richtiggehend hochgearbeitet habe bis zum technischen Leiter des Bereichs Lagertechnik. Im Jahr 1984 durfte ich in den vorzeitigen Ruhestand gehen.  Zu meinem größten Glück konnte ich nun das, was ich all die Jahre zuvor neben dem Hauptberuf getan hatte, nun in Vollzeit tun: in unserer Kirche seelsorgerisch ehrenamtlich tätig sein – teils missionarisch unterwegs und zuletzt für insgesamt 18 Gemeinden als verantwortlicher Leiter des Ältestenbezirkes Bochum.

Meine Traumfrau war 1946 zum Antritt einer Lehrstelle nach Bochum gekommen und fiel mir schon früh auch durch ihre warme Alt-Stimme auf. Während einer Chorprobe trafen sich unsere Blicke und es flogen die Funken. Es war das schöne Feuer der ersten Liebe, das nie mehr verlöschen sollte. Wir durften eine jahrzehntelange glückliche Ehe führen, bis zur Gnadenhochzeit 2021. Danach verstarb sie, die ich immer als meinen Engel sah. Von unseren drei Kindern blieben durch den tragischen Unfalltod des ältesten Sohnes im Alter von 32 Jahren noch die jüngeren Zwillinge; fünf Enkel habe ich und vier Urenkel sehe ich heranwachsen.

Der Morbus Bechterew bescherte mir grausame Schübe, mindestens 20-mal hatte ich auch eine Iritis, wurde vollgepumpt mit Cortison. Ansonsten war es um die Therapie mit Medikamenten damals schlecht bestellt. Auf einige penicillinbasierte Mittel, deren Namen ich nicht mehr weiß, reagierte ich allergisch, die Haut war mit weißen Krusten übersät. Wenigstens gab es irgendwann Amuno zur Schmerzlinderung. Regelmäßig war ich zur Kur, in Bad Kreuznach, wo ich u.a. notwendige Atemtechniken erlernte und in Badenweiler, wo wir auch öfters unseren Urlaub verbrachten – immer dem Heilmittel Radon folgend.

Den Bechterew habe ich nie als Haustierchen angesehen oder geduldet, sondern eher als Feind im Körper, den es zu bekämpfen gilt. Bewegung ist alles – auch im Kopf. Mein Tisch im Pflegeheim, in das ich meiner inzwischen verstorbenen Frau zuliebe vor fast 5 Jahren gezogen bin und in dem ich nunmehr weiterhin wohne, nachdem ich nach einer aufwändigen Operation im März 2020 selbst pflegebedürftig geworden bin, ist voll von Rätselheften – und für den täglichen Sport mit Kniebeugen etc. tut es auch mal das Gestänge am Bett.

(Übrigens würde ich mir im Morbus-Bechterew-Journal auch regelmäßig eine komplette Rätsel-Seite wünschen, am besten in der Form eines Schüttelrätsels – aus meiner Sicht das beste Training für Haupt und Glieder!)   

Auch in der schmerzhaftesten Zeit war ich weiter seelsorgerisch im Ehrenamt tätig. Ich fühle und leide mit meinen Nächsten, nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Das Größte kann nur der Allmächtige geben, in dessen Hand ich mich jeden Tag im Gebet begebe. Ich kann nachvollziehen, dass nicht alle diesen Glauben haben und sogar anklagend und vorwurfsvoll fragen, warum ER das alles zulasse. Für mich ist dieser feste Glaube meine Quelle der Kraft und in Gottes Segen fühle ich mich geborgen.