„Rheumatologie im Wandel der Zeit – 10.000 Jahre Rheuma – von der Steinzeit zum Biologikum“

Bericht: Michael Noll DVMB Morbus Bechterew Selbsthilfegruppe Ludwigshafen
Am 25.10.2023 luden die Selbsthilfegruppen der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew zusammen mit der Rheuma-Liga, ihre Mitglieder zu einem Vortrag von Prof. Dr. Bergner, Chefarzt der Rheumatologie des Klinikums der Stadt Ludwigshafen, ein.
Prof. Dr. Bergner wählte das Thema „Rheumatologie im Wandel der Zeit – 10.000 Jahre Rheuma - von der Steinzeit zum Biologikum“, in dem er herausstellte, dass rheumatoide Veränderungen der Gelenke keine moderne Krankheit der Industriegesellschaft und Umweltgifte seien, sondern bereits schon in der frühesten Menschheitsgeschichte nachweisbar ist.
In einem geschichtlichen Bogen von den Knochenfunden in Südfrankreich, datiert auf 10.000 bis 17.000 Jahre v. C., über die Pharaonen von Ägypten, die Urbevölkerung von Nordamerika bis zu den Medici in der Renaissance zeigte Prof. Dr. Bergner, dass in den Untersuchungen der Knochenfunde, Mumien und einbalsamierten Körpern, Veränderungen an den Gelenken und teilweise der Wirbelsäule nachzuweisen sind, die mit den Röntgenbildern und Kernspintomographie-Ergebnissen heutiger Rheumapatienten übereinstimmen. Somit ist nachgewiesen, dass alle diese Menschen unter einer Krankheit litten, die heute als Rheuma in all seinen Ausprägungen bekannt ist.
Leider sind die Behandlungsmethoden dieser Zeiten nicht überliefert, außer einer ägyptischen Rezeptur, deren Zutaten heute sehr abenteuerlich anmuten. Beim Versuch diese Rezeptur heute herzustellen, stellte sich heraus, dass das Ergebnis Spuren von Substanzen enthält, die sehr hohe Ähnlichkeit zu heutigen Medikamenten enthält.
Die Erforschung von Rheuma und artverwanden Erkrankung ist erst ca. 200 Jahre alt und war lange Zeit ein nicht ernst genommenes Teilgebiet der Medizin. Auch wurden lange Zeit keine Medikamente zur Linderung der Beschwerden gefunden. Erst mit der Entdeckung der Botenstoffe, die für die Überreaktion des Immunsystems verantwortlich sind und die Erkenntnis, dass es sich um eine Autoimmunreaktion des Körpers handelt, ermöglichte es geeignete Medikamente zu entwickelt.
Diese Entwicklung nahm erst um die Jahrtausendwende Fahrt auf und so entstanden in den letzten nun 23 Jahren viele hoch wirksame Biologika, die ein schmerzfreies Leben der Betroffenen ermöglicht und den Verlauf der Erkrankung verlangsamt oder stoppt.

Neueste Ansätze in der Therapie versuchen, wenn die Patienten in eine stabile Remission erreichen, die Gabe der Biologika zu reduzieren und im günstigsten Fall komplett abzusetzen. Dies hat 2 positive Effekte:
- Die Reduzierung/Minimierung der möglichen Nebenwirkungen
- Reduzierung der Therapiekosten, da die Medikamente relativ teuer sind (Kosten von 12.000€ - 24.000€ pro Jahr)
Rheuma ist bis heute unheilbar und die entstandenen Schädigungen irreversibel, jedoch kann, laut Prof. Dr. Bergner jeder Betroffene selbst dazu beitragen seine Lebensqualität zu erhalten, indem er sich sportlich betätigt, um seine betroffenen Gelenke beweglich zu halten. Darum sollten sich Rheumatiker, unter Anleitung von speziell geschulten Therapeuten, 2x die Woche sportlich betätigen und täglich mindestens 10 min Übungen machen, die sie von ihren Therapeuten gezeigt bekommen.
Früher wurden die Ärzte, die sich mit rheumatischen Krankheitsbildern befassten, despektierlich als „Kurärzte“ bezeichnet, da sie vor allem in den Kurbädern behandelten, wo sie durch Wärme, Heilquellen und Radonstollen ihren Patienten Linderung verschaffen konnten. Auch heute scheint das Berufsbild des Rheumatologen nicht lukrativ zu sein, da in Deutschland viele dieser Ärzte fehlen und die Versorgungslage zumindest in der Pfalz, durch Praxisschließungen, für Rheumapatienten immer schlechter wird.
Prof. Dr. Bergner ist mit Herz und Seele Rheumatologe und solche Ärzte brauchen die vielen Betroffenen in Deutschland!