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Erfahrungsbericht
Kathrin Reinsch aus Hannover, Webmasterin bei der DVMB
Alle Erfahrungsberichte„Wenn ich heute auf das zurückblicke, was mir am meisten geholfen hat, kommt noch vor den Medikamenten die DVMB.“
Als ich 1994 mit 24 Jahren meine ersten Beschwerden im unteren Rücken bekam, glaubte ich an normale Schmerzen, die Krankenschwestern halt mal so haben. Ich war jung und hatte gerade eine neue Arbeitsstelle im Klinikum in Hameln angetreten. Da passten die Schmerzen einfach nicht zu meinen Plänen und wurden erstmal ignoriert. Konnte in dem Alter ja auch nichts Schlimmes sein. Aber es waren eigentlich keine normalen Rückenschmerzen, sie wurden bei Bewegung besser und nicht in Ruhe. Dazu kam, ich schlief schlecht, wachte häufig mitten in der Nacht auf und konnte vor Schmerzen nicht wieder einschlafen. Morgens war ich dann steif und wie gerädert.
Das war definitiv nicht das, was man so beiläufig als Rückenschmerzen abtat, die jeder mal hatte. Also stöberte ich ausgiebig in medizinischen Fachbüchern (das Internet gab es damals ja leider so noch nicht). Was man zu diesem Thema fand, war erstmal nicht sehr ergiebig und noch dazu nicht gerade beruhigend. Auf den Bildern sah man Männer mit eingesteiftem krummen Rücken und von unheilbarer Erkrankung las man an anderer Stelle.
Meine befreundete Hausärztin beschwichtigte mich aber und gab meinen Beschwerden den hochtrabenden Namen „ISG-Syndrom“ (Verkantung der Iliosakralgelenkflächen aus unterschiedlichsten Gründen, bei mir angeblich aufgrund der starken körperlichen Belastung). Einen Bechterew schloss sie kategorisch aus, schließlich hatte ich keine Entzündungswerte und das Röntgenbild war normal und am wichtigsten: ich war eine Frau!!!
Heute weiß man, dass bei Vorliegen einer nicht-röntgenologischen axialen Spondylarthritis (der Entzündung der Wirbelsäule und Kreuz-Darmbeingelenke ohne sichtbare Veränderungen im Röntgenbild) der Nachweis der Entzündungswerte bei 30-50 % der Patienten nicht gegeben ist – laut Aussage von Prof. Witte, Chefarzt in der Medizinischen Hochschule Hannover. Ebenso sind entzündliche Veränderungen in Röntgenbildern in den ersten Jahren meist nicht sichtbar. Auch bei anderen Fachärzten konnte zu der Zeit kein Grund für meine Beschwerden gefunden werden (außer einer Nierenentzündung, verursacht durch Bakterien). Also wurde ich nur mit NSAR (nicht steroidalen Antirheumatika wie Ibuprofen oder Diclofenac) behandelt, was auch erstmal ausreichend half. Möglicherweise waren die Bakterien ein Auslöser für die Erkrankung, der An-Schalter sozusagen. In der Zwischenzeit hatte ich den Arbeitgeber gewechselt, war nun stolze Mitarbeiterin der MHH (Medizinische Hochschule Hannover) und durfte endlich auf einer Intensivstation arbeiten (das war schon seit vielen Jahren mein absoluter Berufswunsch).
Bei der Einstellungsuntersuchung wurden die Probleme nochmals thematisiert und ich wurde zu einem Rheumatologen geschickt. Der veranlasste nach der Bestimmung des Gens HLA-B27, welches positiv war, ein MRT (Magnetresonanztomografie) wegen des Verdachts auf einen Morbus Bechterew, in dem leichte Entzündungen in den ISG zu sehen waren – mehr aber auch nicht. Also kein Bechterew. „Kann man nichts machen“, meinte er, „bewegen Sie sich halt ein wenig“ war seine Aussage. Ganz zufriedenstellend fand ich das nicht, wurden doch meine anderen Beschwerden dabei nicht berücksichtigt. Ich bekam nämlich plötzlich meinen Mund nicht mehr auf. Auch hatte ich starke Schmerzen am vorderen Beckenring, der Symphyse. Mit diesen Beschwerden fuhr ich zu meiner ersten Rehamaßnahme in eine Rheumaklinik, die von der Rentenversicherung ausgesucht wurde und was sich nachträglich betrachtet als Glücksfall erweisen sollte.
Die Ärzte dort stellten mich richtig auf den Kopf und werteten alle Befunde aus. Auch wenn es kein Morbus Bechterew war, so gehörte es dennoch zu den Spondyloarthritiden – wenn man so will, eine Frühform des Bechterew, so erklärte es mir der dortige Rheumatologe. Nach der Reha wechselte ich dann in die rheumatologische Ambulanz der MHH, wo man sogleich mit einer Basistherapie begonnen hat. Insgesamt hat diese „Diagnosefindung“ etwa 5 Jahre gedauert.
Retrospektiv betrachtet bin ich als Frau mit „nur“ 5 Jahren Diagnosezeit noch ziemlich gut dran, denn für gewöhnlich dauert es bei Frauen bis zu 7-8 Jahre, bis eine Diagnose gestellt ist, ca. 2 Jahre länger als bei Männern. Woran das liegt, kann man nur spekulieren. In der MHH bin ich noch heute in Behandlung. Die Mundöffnungsprobleme stellten sich als Kiefergelenksarthritis heraus (mein Kiefergelenk ist nach mehrfachen OPs heute quasi nicht mehr vorhanden, damit lebe ich aber sehr gut) und auch die Symphysenschmerzen waren in Wahrheit eine Entzündung. Rückenschmerzen habe ich heute nur noch sehr selten. Meine Beschwerden verlagerten sich auf die peripheren Gelenke.
Aufgrund ständiger Entzündungen im rechten Handgelenk musste dieses versteift werden. Damit komme ich trotz Bewegungseinschränkung super klar. Dazu kamen und kommen auch heute noch häufige Entzündungen der Kniegelenke, der Schultern, so ziemlich aller Sehnenansätze und eine ausgeprägte Plantarfasziitis in beiden Füssen (was man langläufig als Fersensporn kennt). Auch eine Beteiligung der Leber wurde zwischenzeitlich festgestellt. An Basismedikamenten (Medikamente, die Einfluss auf die Krankheitsaktivität nehmen sollen) nehme ich jetzt, nach so ziemlich allen anderen Medikamenten aus dem Bereich, Interleukin17-Hemmer. Damit ist es mir erstmals nach Jahren gelungen, von der doch sehr hohen systemischen Cortisondosis runter zu kommen. Hoffen wir, dass es so bleibt oder sogar noch besser wird. Die Rheumatologen sind sehr zuversichtlich.
Als Krankenschwester konnte ich damit auf einer Intensivstation zwar nicht mehr arbeiten. Das tut mir noch heute leid. Ich arbeite jetzt im Funktionsbereich und organisiere viele Dinge rund um bauchchirurgische Eingriffe. Dies ist sehr abwechslungsreich, ich habe trotzdem Patientenkontakt und kann meine Arbeitszeit an meine Beschwerden anpassen. In meiner Freizeit erkunde ich gern mit meiner Kamera die Natur. Dabei kann man wundervoll abschalten. Oder ich spiele mit meinem Patenkind (gerade 7 Jahre alt), nicht immer unanstrengend aber definitiv belebend.
Wenn man alle Beschwerden einzeln betrachtet, lässt das häufig nicht an einen Bechterew denken. Dies macht dann eine korrekte schnelle Diagnose nicht gerade einfach. Von daher ist es immens wichtig, beim behandelnden Arzt (möglichst ein internistischer Rheumatologe) alle Beschwerden aufzuzählen, auch wenn man glaubt, dass sie nichts mit dem Bechterew zu tun haben. Wenn ich heute noch einmal auf das zurückblicke, was mir am meisten geholfen hat, kommt noch vor den Medikamenten die DVMB. Während einer Rehamaßnahme fiel mir ein Morbus-Bechterew-Brief (so hieß das Journal früher) in die Hände. Da gab es tatsächlich in meiner Nähe eine Gruppe, die ich gleich nach der Reha aufsuchte. Es gefiel mir so gut, dass ich blieb und relativ schnell Gruppensprecherin wurde.
Da ich ja noch jung war, wurde ich auch gefragt, ob ich nicht die Jugendarbeit in Niedersachsen übernehmen und neu beleben wollte. Auch dies tat ich damals mit Begeisterung. Heute bin ich stellvertetende Gruppensprecherin, Schriftführerin im Landesverband, Webmaster und engagiere mich im Frauennetzwerk im Bundesverband. Der Austausch innerhalb der Gruppe und mit anderen Gruppensprechern war und ist sehr wertvoll. Man fühlt sich nicht mehr so allein. Was man erlebt hat, war kein Einzelfall, was man bis dahin häufig glaubte. Die anderen Gruppenmitglieder klagten in Summe über die gleichen Probleme und hatten zum Teil auch schon Lösungen parat. Auch macht die Gymnastik mit anderen einfach mehr Spaß.