Erfahrungsbericht

Annika Reindl aus Pürgen bei Landsberg am Lech

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„Ich hatte das Glück, dass meine Diagnose sehr früh gestellt wurde.“

Ich wurde 1993 geboren. Heute wohne ich in der Nähe von Landsberg am Lech. Ich hatte das Glück, dass meine Diagnose sehr früh gestellt wurde. Aber zurück zum Anfang:

Nach meinem Abitur 2011 und einem nach 2 Semestern abgebrochenen Studium der Informatik habe ich 2012 eine Ausbildung zur Fachinformatikerin in Fachrichtung Anwendungsentwicklung gemacht. 2014 wurde ich von meinem Ausbildungsbetrieb übernommen und arbeitete auch noch dort, als eine Spinalkanalstenose entdeckt wurde. Zweimal musste ich 2018 operiert werden und kam 2019 zur Reha nach Oberammergau.

Dort wurde ich unter Anderem in einen Vortrag zum Thema „Morbus Bechterew“ geschickt. Auf meine Frage hin, was ich da sollte („das habe ich doch gar nicht“), wurde mir gesagt, ich soll von dem Krankheitsbild mal was gehört haben: Einfach mal als Info mitnehmen. Und das war mein Glück. Durch ein paar negative Erfahrungen aufgrund meines gesundheitlichen Ausfalls in der Firma wechselte ich 2019 die Stelle. Im Sommer 2019 bekam ich dann meinen ersten Entzündungsschub. Natürlich wusste ich das damals nicht und dachte, es kommt wieder vom operierten Bereich. Man fand nichts und nach 3 Wochen war der Spuk wieder vorbei, als wäre nie etwas gewesen.

Frühe Diagnose und Therapie Dank eigener Initiative

Im April 2020 hatte ich dann auf einmal diese nächtlichen Rückenschmerzen und musste schon gegen 4 Uhr aufstehen. Ich erinnerte mich an den Vortrag in der Klinik und suchte meine Hausärztin auf, damit wir den Blutmarker HLA-B27 prüfen können. Zuerst meinte sie, dass das äußerst unwahrscheinlich ist und diese Krankheit sowieso sehr selten ist. Ich erinnerte sie daran, dass auch schon die Stenose für mein Alter ungewöhnlich war, warum nicht also auch der Morbus Bechterew? Sie ließ sich überreden und tatsächlich war der HLA-B27 positiv und es gab eine Überweisung zum Rheumatologen.

Die Rheumatologin sicherte die Diagnose Ende November 2020 mit einer Magnetresonanztomographie. Mein Weg bis zur Diagnose dauerte also knapp 1,5 Jahre. Ich hatte wirklich viel Glück, nach Oberammergau geschickt zu werden und dort Ärzte getroffen zu haben, die wohl einen Verdacht hatten. Und auch meine Eigeninitiative hat mich weitergebracht.

Mein Tipp deshalb: 

Lasst euch nicht einschüchtern oder abwimmeln. Wenn ihr merkt, da stimmt was nicht: Weiterbohren bzw. eine Zweitmeinung einholen.

Ich bekam von der Rheumatologin Etoricoxib (ein selektives NSAR) verschrieben und konnte zum ersten Mal seit langem wieder durchschlafen. Das war ein Segen! Aber leider hielt das Glück nicht lange an, und mein Darm fand die Tablettenaufnahme weniger lustig. Die Ärztin wollte dann auf Biologika umsteigen, was ich auf gar keinen Fall wollte. Ich hatte Angst davor, weil ich nicht genau wusste, was das war. Alles, was ich wusste, war, dass die Medikamente mein Immunsystem weniger wirksam machen würden. Wir waren gerade in einer Hochphase der Pandemie, und die Impfung war noch in weiter Ferne.

Ich meldete mich bei der DVMB als Mitglied an und versuchte, mehr über die Krankheit und die Behandlungsformen zu erfahren. Dadurch erfuhr ich, dass man mit einem gesunden Lebensstil auch schon viel erreichen kann. Ich setzte nach Rücksprache mit der Rheumatologin die Tabletten ab (sie war nicht begeistert, ließ das Experiment aber zu) und änderte meinen kompletten Lebensstil: Ernährungsumstellung (Kochbuch der DVMB), jeden Tag Gymnastikübungen (DVDs der DVMB mit den täglichen Übungen), mehr Sport usw. Dabei nahm ich sogar 12 kg ab und landete bei einem Gewicht von 77 kg auf 180 cm.

Ich fühlte mich fit und bereit für neue Aufgaben. Ich bewarb mich um die Stelle als Teamleitung im Bereich Informationstechnik (welche ich dann auch im Oktober 2021 antreten konnte). Alles lief gut bis zum nächsten heftigen Schub im August 2021. Ich konnte nicht verstehen, wieso ich wieder einen Schub hatte, da ich doch alles befolgt hatte, was man tun kann. Ich merkte, dass ich noch nicht alles verstanden hatte und stellte einen Antrag auf eine weitere Reha, um vor Ort die „Basics“ zu lernen.

In dieser kurzen Zeit von 4 Wochen (dank Verlängerung) lernte ich wirklich eine Menge. Ich traf zwar nicht auf viele Gleichaltrige, aber ich traf Menschen, die mir von ihren Erfahrungen mit und auch ohne Medikamente berichteten. Auch der Oberarzt, der mich noch von meinem letzten Aufenthalt kannte, überzeugte mich, indem er mir mehr über die Krankheit und die Wirksamkeit von Biologika erklärte.

Die Medikamente würden helfen, aber auch sie würden nicht immer einen Schub verhindern können. Im Allgemeinen würden sie aber zu einem verlangsamten Krankheitsverlauf beitragen. Als ich zurückkam sagte ich meiner Rheumatologin, dass ich nun doch die Biologika-Therapie machen möchte.

Ich habe beschlossen, ab 2022 offen über meine Krankheit zu sprechen. Das hilft mir, das Thema zu verarbeiten und vielleicht auch irgendwann zu akzeptieren. Bisher habe ich sehr positive Erfahrungen damit gemacht. Im Arbeitsumfeld konnte ich zum Beispiel diesmal (im Gegensatz zu den Erfahrungen mit meiner Spinalkanalstenose) eine gute Erfahrung sammeln: Meine Vorgesetzten kamen mit eigenen Ideen, wie sie mir meine Arbeit erleichtern können (z.B. Reduzierung der Stunden). Und auch meine Kollegen sind sehr Rücksichtsvoll und tragen beispielsweise noch Maske, obwohl es nicht mehr vorgeschrieben ist.

Ich bekomme nun seit März 2022 Adalimumab, welches ich bisher gut vertrage. Ich merke, dass mir viele Bewegungen leichter fallen. Ich kann durchschlafen und wache ausgeruht auf.

Durch meine beiden Rücken-Operationen in Kombination mit dem Morbus Bechterew werde ich vermutlich in den nächsten Jahren meiner Altersklasse im Bereich Fitness weiter hinterherhinken. Manchmal muss ich Aktivitäten abbrechen, die Andere in meinem Alter locker können, und ich fühle mich richtig mies.

Allerdings habe ich ein paar gute Sportarten gefunden, die mir Freude machen und die ich sehr gut ausüben kann. So gehe ich regelmäßig zum Bogenschießen im Verein, aber auch in Bogenparcours bin ich gerne unterwegs. Außerdem gehe ich wandern und interessiere mich für Fotografie – diese Hobbies lassen sich natürlich sehr gut kombinieren.

Ich stehe noch am Anfang, sehe aber positiv in die Zukunft! Ich habe einen tollen Freund bzw. Verlobten, der seit unserer Berufsschulzeit an meiner Seite ist und alle Hochs und Tiefs mitgemacht hat. Eine wunderbare Familie, die mich unterstützt, wenn es mir mal nicht so gut geht und mit mir lacht, wenn alles mal läuft. Ich habe tolle Freunde und Arbeitskollegen, die Rücksicht auf mich nehmen und eine wirklich nette und fröhliche Bechti-Gruppe bei mir vor Ort.