Erfahrungsbericht

Arno Krumm, Siegen

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„Ein Bechterew-Patient braucht 36 Stunden Bewegung pro Tag“

Mein Name ist Arno Krumm aus Siegen in Westfalen. Ich bin mittlerweile 80 Jahre alt und hatte die ersten Bechterew-Symptome seit meinem 18. Lebensjahr. Ich bin über sieben Jahre von einem Orthopäden zum anderen geschickt worden, bis ich den richtigen Tipp erhielt, zu Professor Dr. Ott in der Klinik Bad Nauheim zu gehen. Dieser Name ist über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannt und ich hatte das Glück, diesen Professor zu treffen. Als ich in sein Sprechzimmer gebeten wurde, schaute er zu, wie ich in Richtung seines Schreibtisches ging. Er bat mich höflich, mich zu setzen, lächelte mich freundlich an und sagte ganz locker: „Ich habe den Eindruck zu wissen, was Sie für eine Erkrankung haben!“ Ich habe zuerst gedacht, ich höre nicht richtig. Denn ich lief ja mittlerweile, wie gesagt, seit sieben Jahre hinter einer Diagnose her. An meiner Haltung und dem Gang hatte er schon erkannt, was war. Lange Rede ... ein paar Untersuchungen bestätigten genau das, was Professor Ott gesagt hatte. Ich hatte die Krankheit Morbus Bechterew.

Im Anschluss an die Diagnose habe ich viele Ratschläge und Tipps aus vielen verschiedenen Richtungen erhalten. Vieles habe ich versucht zu beherzigen. Aber das, was mir wirklich geholfen hat, war Bewegung, Bewegung, Bewegung. Ich bin später viele Male in der Rheumaklinik in Oberammergau gewesen und habe dort ganz viel über die Krankheit gelernt. Vor allem wurde mir bestätigt, dass Bewegung ein ganz wichtiger Punkt bei der Bekämpfung der Versteifung ist. Ein Stationsarzt, mit dem ich heute freundschaftlich verbunden bin, hat einmal gesagt: „Ein Bechterew-Patient braucht 36 Stunden Bewegung am Tag“ – und damit ist das Meiste gesagt.

Schon in meiner Jugendzeit hatte ich mich sportlich viel betätigt. Ich war als 13-Jähriger das erste Mal mit dem Fahrrad (Dreigangschaltung) in Flensburg. Im Anschluss an die späteren Jahre kamen viele Radtouren hinzu und ich bin in meinem ganzen Leben nie vom Radfahren losgekommen. Unter anderem fahre ich leidenschaftlich gerne Motorrad und habe die Alpen von Ost nach West befahren. So sind über 300 Passüberquerungen zustande gekommen. Ich bin ebenso gerne zu Fuß auf den Bergen unterwegs gewesen und durch die Rheumaklinik Oberammergau und die nahen Berge war es naheliegend, dass ich die umliegenden Berge praktisch alle bestiegen habe. So war ich z.B. viermal zu Fuß auf dem höchsten Berg Deutschlands, der Zugspitze. Ich habe den Jubiläumsgrat begangen, von der Alp- zur Zugspitze, und habe unendlich viele Erlebnisse gesammelt, die unvergesslich sind. In Garmisch-Partenkirchen wurde in den 80er Jahren der erste Deutschland-Pokal für Mountainbiker (Deutsche Meisterschaft ) veranstaltet, den ich mitgefahren bin – und ich bin auf einem der 160er Plätze angekommen (von ca. 300 Teilnehmenden).

Ich hatte das große Glück, Professor Dr. rer. nat. Ernst Feldtkeller in Oberammergau kennenzulernen, und ich durfte ihn einen Freund nennen. Viele Berge der Ammergauer Alpen haben wir gemeinsam bestiegen und ich erinnere mich gerne daran, wenn er einen Halt dazu benutzte, seine aus dem Bechterew-Journal bekannten Aquarelle zu malen. Alle diese Tätigkeiten waren mit Bewegung verbunden.


Ich erinnere mich an die erste Untersuchung durch einen Stationsarzt in Oberammergau, dass ich beim Vorbeugen (Arme zum Boden) einen Finger-Boden-Abstand von 41 cm hatte. Dieser Abstand ist kontinuierlich durch meine Tätigkeiten und auch durch gezielte gymnastische Bewegungen auf null bzw. sogar auf -5 cm geschrumpft. Ich kann meine halbe Handfläche heute noch auf den Boden legen und darauf bin ich ein wenig stolz, denn es war jahrzehntelanger Einsatz nötig, um das zu erreichen. Meine Haltung ist heute weitestgehend aufrecht, eine leichte Kyphose besteht im Hals-/Brustwirbel-Bereich.

Oftmalige Aufenthalte in der Rheumaklinik Oberammergau haben mir diese Gegend zu meiner zweiten Heimat werden lassen. Wenn ich heute die positiven und die negativen Begebenheiten, sprich Schmerz durch die Krankheit, Freude durch die Landschaft und die liebenswerten Menschen, gegeneinander aufrechnen würde, dann käme für mich ein hoher, positiver Wert heraus.

Anstrengende Bergtouren, Wanderungen sowie Radfahren von meinem 13. Lebensjahr bis heute haben mich zu einem sehr zufriedenen Bechterew-Patienten geformt. Die Bambusstab-Wirbelsäule trage ich bis heute mit mir herum und eine Limo-Dose im Stehen auszutrinken, ist nur möglich, wenn ich den „Bechtiknicks“ anwende, das heißt, die Knie ein wenig anwinkeln, damit der Kopf/Oberkörper sich etwas nach hinten neigt.

Über Jahrzehnte habe ich ein Fahrradtagebuch geführt und die längeren Touren dokumentiert. Wenn ich alles zusammenrechne und „Pi mal Daumen“ die kurzen Touren dazu addiere, komme ich auf eine Kilometer-Entfernung von ca. 180.000 bis 200.000 km – bis heute.

Tausende Tabletten unterschiedlichster Art haben leider meinen Magen sehr gestresst und die tägliche Tablette, um ihn friedlich zu stimmen, darf ich heute nicht vergessen. Lange Zeit nahm ich Amuno, ein Medikament, das nicht sehr gut vertragen wurde und vom Markt verschwand. Vorher habe ich an einer Studie mit Amuno-Gits teilgenommen und war sehr erschrocken, als ich hörte, dass es dabei zu Todesfällen gekommen war.

Ich habe also viele Jahre Bechti-Erfahrung, aber ich bin gewiss nicht auf dem neuesten medizinischen Stand, da ich die schlechteren Phasen im Leben verdrängt habe und einfach „vergessen“ habe, dass ich eigentlich ein Bechterew-Patient bin.

Ich bin ein zufriedener Mensch, weiß, was Morbus Bechterew im Leben eines Menschen anrichten kann. Ich möchte den vielen Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten, dem Pflegepersonal und allen Menschen, denen ich während meiner Bechterew-Karriere begegnet bin, vor allem in der Rheumaklinik Oberammergau, herzlich für ihre Mühe mit mir ein Dankeschön sagen. Ich habe noch heute Kontakt zu Menschen, die sich um mein Wohl gesorgt haben.