Erfahrungsbericht
Shari-Feh Straub, Gruppensprecherin Singen
Alle ErfahrungsberichteBeim Gruppensprecher-Seminar der DVMB habe ich viele tolle Menschen kennengelernt
Meine Geschichte beginnt im August 2022, im zweiten Jahr von Corona. Meine Symptome glichen denen einer Covid-19-Erkrankung: Fieber, Abgeschlagenheit, Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen. Nach mehreren negativen Schnell- und PCR-Tests ging die Suche nach der Ursache weiter. Mein Blutbild deutete auf das Pfeiffersche Drüsenfieber hin, an dem ich schon als Kind erkrankt war, das aber selten erneut ausbricht.
Nachdem ich die Erkrankung durchgestanden hatte, begannen die Schmerzen in den Gelenken. Es folgten Besuche in der Notaufnahme, da ich mich vor Schmerzen (in der Schulter, im Rücken, in den Beinen) nicht bewegen konnte. Die MRTs zeigten keine Knochenbrüche, „muss wohl eine Entzündung sein“. Man schickte mich mit Schmerztabletten und einem Krankengymnastik-Rezept nach Hause.
Nach dem vierten Besuch in der Notaufnahme unterhielt ich mich mit einer (ehemaligen) Arbeitskollegin über meine Symptome. Sie meinte salopp: „Ach du, das ist Rheuma. Das habe ich auch. Geh mal zu einem Rheumatologen!“ Ich war perplex und dachte: „Doch nicht in meinem Alter!“ Ihrem Ratschlag folgend wollte ich eine rheumatologische Praxis aufsuchen. Doch das gestaltete sich im Raum Bodensee schwieriger als gedacht. Die Aussagen der Praxen waren immer ähnlich: „Wir nehmen keine neue
Patienten mehr auf“ oder „Wir schließen aus Altersgründen die Praxis“. So blieb mir nur der Gang zum Hausarzt. Er übernahm einige Voruntersuchungen und sagte, dass er für eine genauere Diagnostik nicht das Fachwissen habe, da Rheuma sehr komplex sei. Er gab mir für die genauere Facharzt-Diagnostik einen Code für die Kassenärztliche Vereinigung, mit dem ich einen Termin innerhalb von 2 Monaten in Freiburg bekam. Die 115 km Fahrt zur rheumatologischen Praxis nahm ich natürlich gerne in Kauf, es ging schließlich um die eigene Gesundheit und die Symptome verschlechterten sich zunehmend.
Im Februar 2022 fuhren wir dann nach Freiburg. Nach 20 Minuten war ich „abgefertigt“: ein persönliches Gespräch, eine kurze körperliche Untersuchung und eine Blutabnahme. Zwei Wochen später erhielt ich Post vom Arzt. Der Inhalt bestand aus einem Arztbrief (nach dem Motto: herzlichen Glückwunsch – Sie haben rheumatoide Arthritis), meinen Laborwerten, einem Infoblatt „Was ist MTX und für was wird es angewendet“, einem neuen Termin in 6 Monaten und 2 Rezepten für Medikamente. Durch meine Berufserfahrung kannte ich die meisten davon. Ich stand völlig perplex vor meinem Briefkasten und wusste nicht, was ich damit anfangen soll. Mir schossen 100 Fragen gleichzeitig durch den Kopf, die mir in diesem Augenblick niemand beantworten konnte. Mein Lebenspartner sagte zu mir: „Liebling, auch das stehen wir zwei durch!“ Seine Worte gaben mir viel Mut und Kraft, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn die schlimmste Zeit sollte erst noch kommen.
Bei meinem ersten Rheumaschub wusste ich nicht, was mit meinem Körper passiert. Unfassbare starke Schmerzen vom Kopf bis in den kleinen Zeh. Jede kleinste Bewegung oder Berührung war unerträglich. Ich konnte vor Schmerzen nicht mehr klar denken und hoffte nur, dass es bald aufhört. Stunden später schlief ich endlich vor Erschöpfung ein.
Bei meinem zweiten Besuch beim Rheumatologen in Freiburg sprach ich ihn darauf an, dass in meiner Familie der Bechterew vorhanden sei und ich gerne ein paar Tests mehr haben möchte, damit ich Gewissheit habe. Diese Untersuchungen zeigten einen HLA-B27-positiven Wert und im MRT zeigten sich entzündliche Veränderungen in der Wirbelsäule. Diese Veränderungen seien wohl der Beginn eines Bechterew. Mit dieser Aussage musste ich mich zu der Zeit zufriedengeben.
Nach meinem zweiten Schub im September 2022 probierte ich ein anderes Schmerzmedikament, da alle anderen keine Wirkung erzielt hatten. Das war ein Fehler! Ich entwickelte wieder Krankheitssymptome wie Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und starke Halsschmerzen. Schlucken war nicht mehr möglich, der Hals war stärker als üblich angeschwollen. Es hatte sich ein 3 x 3 cm großer Abszess gebildet und drückte auf die Luftröhre. Nach überstandener OP fragte man sich, was diesen Zustand ausgelöst hatte. Die grottenschlechten Laborwerte sprachen für sich, deshalb musste ich von der HNO zunächst auf die Hämatologie und dann auf die Onkologie verlegt werden. Mein Körper vertrug den ganzen Stress leider nicht so gut und bildete einen Herpes über meine ganze linke Gesichtshälfte. Nach diesem Erlebnis war mir klar, dass ich mein Leben ändern muss.
Mein Rheumatologe aus Freiburg hatte mir den Kontakt zu einer heimatnahen Praxis vermittelt, wo ich bei meinem Ersttermin ausgiebig untersucht wurde. Ich war ganze zwei Stunden in Behandlung und befürchtete noch, dass ich zu spät zum anschließenden DVMB-Treffen kommen würde. Man plante schließlich, eine neue örtliche Gruppe in Singen zu gründen, an der ich unbedingt teilnehmen wollte, um die Symptome in diesem Stadium so lange wie möglich hinauszögern zu können. Gesagt, getan: Die Gruppe hat sich gegründet und trifft sich regelmäßig. Diese eine Stunde Sport in der Woche ist für alle sehr wohltuend.
Nach meiner Reha in Oberammergau im April 2023 habe ich mein Leben nochmals an meine jetzige Situation angepasst und lebe so gut es geht nach meinen eigenen Regeln.
Rückwirkend kann ich sagen, dass mein Diagnoseweg durch meinen guten Hausarzt im Vergleich zu der durchschnittlichen Diagnoseverzögerung bei Morbus Bechterew sehr kurz war. Jedoch war er kräftezehrend, da ich vieles „einfordern“ musste.
Mittlerweile bin ich Gruppensprecherin der Singener Gruppe. Beim Gruppensprecher-Seminar der DVMB habe ich viele tolle Menschen kennengelernt und die Erfahrungen der „älteren“ Betroffenen kann ich für mich aufgreifen. Und ich habe immer noch eine Gruppensprecherin aus Salem im Hintergrund, die ich jederzeit Fragen kann, wenn mir etwas unklar ist.