Den Rücken im Auge behalten – Spondyloarthritis bei Betroffenen mit akuter anteriorer Uveitis

 

Deutschsprachiger Bericht über die Arbeit „Keep an Eye on the Back: Spondyloarthritis in Patients With 
Acute Anterior Uveitis“ von Judith Rademacher, Hanna Müllner, Torsten Diekhoff, Hildrun Haibel, Sabrina Igel, Dominika Pohlmann, Fabian Proft, Mikhail Protopopov, Valeria Rios Rodriguez, Murat Torgutalp, Uwe Pleyer und Denis Poddubnyy, erschienen in der Zeitschrift Arthritis & Rheumatology 2023;75(2):210-9. 

 

Einleitung

Die akute anteriore Uveitis (AAU) – auch Regenbogenhautentzündung genannt – ist eine maximal drei Monate andauernde Entzündung der mittleren Augenhaut im vorderen Auge, betrifft also die Iris und/oder den Ziliarkörper (die Aufhängung der Linse). Bereits seit den 70er Jahren ist bekannt, dass die AAU eng mit dem Vorhandensein von HLA-B27 und auch mit Spondyloarthritiden (SpA) zusammenhängt. Bis zu einem Drittel aller Patient:innen mit SpA hat im Laufe des Lebens mindestens einmal eine AAU. Umgekehrt berichten verschiedene Studien mit großer Spannweite, dass zwischen 20 % und 78 % aller Patient:innen mit AAU eine SpA haben.

Die SpA gehört weiterhin zu den rheumatologischen Erkrankungen mit der längsten Diagnoseverzögerung – von dem Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose vergehen im Schnitt in Deutschland fast 6 Jahre. Die typischen Symptome einer AAU – Rötung und Schmerzen des betroffenen Auges zusammen mit Lichtempfindlichkeit und eingeschränktem Sehvermögen – führen dazu, dass sich die Patient:innen bei dem/der Augenarzt/-ärztin vorstellen. Diese augenärztliche Vorstellung kann zur Früherkennung einer möglicherweise vorliegenden SpA genutzt werden. Verschiedene Überweisungsstrategien wurden hierzu entwickelt: Darunter eine auf den Empfehlungen der Assessment of SpondyloArthritis international Society (ASAS) basierende Strategie1, die Patient:innen mit chronischen Rückenschmerzen mit Beginn vor dem 45. Lebensjahr einschließt, und das Dublin Uveitis Evaluation Tool (DUET)2, das zusätzlich auch das Vorhandensein einer Schuppenflechte (Psoriasis), den HLA-B27-Status und Gelenkschmerzen berücksichtigt.

Unsere Studie wurde durchgeführt, um die Häufigkeit einer SpA bei Patient:innen mit AAU zu analysieren, mit dem Vorhandensein einer SpA assoziierte Parameter zu identifizieren sowie die beiden Überweisungsstrategien für Augenärzt:innen (ASAS und DUET) zu evaluieren.
 

Ergebnisse

Diagnose einer Spondyloarthritis
Insgesamt wurden 204 Patient:innen mit nicht-infektiöser AAU in unsere Studie eingeschlossen. Alle Patient:innen wurden standardisiert rheumatologisch untersucht. Zudem erhielten alle eine MRT-Unter­suchung der Sakroiliakalgelenke (Kreuz-Darmbein-Gelenke) und hiernach die Diagnose oder den Ausschluss einer SpA. Von 189 AAU-Patient:innen lagen eine vollständige rheumatologische Untersuchung und Bildgebung des Sakroiliakalgelenks vor, sodass diese in die Auswertung einbezogen wurden. Die 189 Patient:innen waren im Durchschnitt 40,8 Jahre alt, 55 % waren männlich. Eine SpA wurde bei 106 Patient:innen (56 %) diagnostiziert: Die Mehrheit dieser (93 %) hatte eine Beteiligung des Achsenskelettes (Wirbelsäule und/oder Sakroiliakalgelenk) und somit eine axiale SpA, während sieben Patient:innen eine ausschließlich periphere SpA zeigten. Bei 74 Patient:innen (70 %) wurde die SpA im Rahmen unserer Studie diagnostiziert und war nicht vorbekannt.

Mit einer Spondyloarthritis assoziierte Parameter
Wir untersuchten anhand verschiedener Parameter, ob es Unterschiede zwischen AAU-Patient:innen mit und ohne zugrundeliegender SpA gab, die es erleichtern könnten, die Patient:innen mit SpA zu identifizieren.  In unserer Studie waren AAU-Patient:innen mit begleitender SpA häufiger HLA-B27 positiv (93 % der Patient:innen mit SpA versus 66 % der Patient:innen ohne SpA) und männlichen Geschlechtes (63 % vs. 43 %). Obwohl Rückenschmerzen insgesamt häufig waren, hatten diese bei Patient:innen mit SpA häufiger entzündlichen Charakter (72 % vs. 54 %). 

Das Vorhandensein einer peripheren Manifestation jemals (also eine Gelenk-, Sehnenscheidenentzündung oder Daktylitis [Wurstzehe/-finger]) war ebenso wie Gelenkschmerzen, wegen denen bereits eine ärztliche Vorstellung erfolgte, mit einer SpA assoziiert. Auch eine Schuppenflechte war bei Patient:innen mit SpA häufiger (15 % vs. 1 %). Nur fünf der eingeschlossenen Patient:innen hatten eine chronisch-entzündliche Darm­erkrankung, wobei bei allen eine SpA diagnostiziert wurde. 

Verschiedene Parameter der Krankheitsaktivität waren ebenfalls höher bei Patient:innen mit SpA als bei Patient:innen ohne systemischer Erkrankung: so die Entzündungsparameter im Blut, die Beurteilung der globalen Krankheitsaktivität durch Arzt/Ärztin und Patient:in sowie der ASDAS (Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score). Patient:innen mit SpA hatten zudem eine eingeschränkte Beweglichkeit und Funktion der Wirbelsäule.

In unserer Studie zeigten AAU-Patient:innen mit und ohne zugrundeliegender SpA keine Unterschiede in ihren augenärztlichen Befunden oder der Häufigkeit der bisherigen Uveitisepisoden. 

Das Vorhandensein einer Schuppenflechte, einer HLA-B27-Positivität, erhöhter Entzündungswerte im Blut (C-reaktives Protein ≥  5mg/l) und männliches Geschlecht waren jeweils unabhängig mit dem Vorliegen einer SpA bei Patient:innen mit AAU assoziiert.

Überweisungsstrategien
Bei den Überweisungsstrategien (Bild) war der DUET-Algorithmus der ASAS-Strategie überlegen in der korrekten Erkennung von Patient:innen ohne SpA – was sich in der höheren Spezifität von 42,2 % vs. 27,7 % widerspiegelte. Die ASAS-Strategie zeigte wiederum eine minimal höhere Sensitivität, da sie 79,8 % der SpA-Patient:innen korrekt identifizierte, verglichen mit 77,9 % beim DUET. Beide Überweisungsstrategien zeigten jedoch keine zufriedenstellende Performance, da sie jeweils mehr als 20 % der Patient:innen mit SpA übersehen hätten. Ein Grund hierfür war, dass einige Patient:innen Rückenschmerzen zeigten, die erst nach dem 45. Lebensjahr begonnen oder kürzer als drei Monate andauerten, damit nicht typisch für eine axiale SpA waren und die Überweisungsstrategien nicht erfüllten.

Da die SpA bei Patient:innen mit AAU sehr häufig ist – über die Hälfte aller Patient:innen haben eine zusätzliche SpA – empfehlen wir die rheumatologische Untersuchung aller Patient:innen mit AAU auch unabhängig von typischen muskuloskelettalen Symptomen. Auch wenn bei Patient:innen ohne diesbezüglicher Symptomatik die Diagnose einer SpA keine unmittelbare therapeutische Konsequenz hat, so schärft diese das Bewusstsein für Symptome wie Rücken- und Gelenkschmerzen und erleichtert die frühzeitige und adäquate Therapie, sollte die/der Patient:in in Zukunft Symptome entwickeln.

Vergleich der Überweisungsstrategien zur Erkennung einer SpA bei Patient:innen mit AAU nach ASAS (Assessment of SpondyloArthritis international Society) und DUET (Dublin Uveitis Evaluation Tool): Patient:innen, die die jeweilige Überweisungsstrategie erfüllen, sind unter einem (+) Zeichen gruppiert, diejenigen, die sie nicht erfüllen, unter (-) Zeichen. AxSpA: axiale Spondyloarthritis, pSpA: periphere Spondyloarthritis. (Bild entspricht Figure 2 der Originalpublikation: Rademacher J, et al. Keep an Eye on the Back: Spondyloarthritis in Patients With Acute Anterior Uveitis, Arthritis & Rheumatology 2023;75(2):210-9.)

Zusammenfassung

Zusammenfassend war sowohl eine SpA insgesamt als auch eine zuvor noch nicht diagnostizierte SpA bei den Patient:innen mit AAU in unserer Studie sehr häufig, was die Notwendigkeit wirksamer Überweisungsstrategien und einer engen Zusammenarbeit zwischen Augenärzt:innen und Rheumatolog:innen unterstreicht. Wir empfehlen basierend auf den Ergebnissen dieser Studie die rheumatologische Untersuchung aller AAU-Patient:innen mit jedweden Symptomen des Bewegungsapparates und somit „den Rücken im Auge zu behalten“. Rheumatolog:innen sollten zusätzlich bedenken, dass sich die SpA bei AAU-Patient:innen „atypisch“ zeigen kann.                         
     

1) Poddubnyy D, et al. Development of an ASAS-endorsed recommen­dation for the early referral of patients with a suspicion of axial Spondyloarthritis. Ann Rheum Dis 2015;74:1483–7.

2) Haroon M, et al. A novel evidence-based detection of undiagnosed spondyloarthritis in patients presenting with acute anterior uveitis: the DUET (Dublin Uveitis Evaluation Tool). Ann Rheum Dis 2015;74:1990–5.