Schwangerschaft und Morbus Bechterew – Ist das (un)möglich?

 

Von Dr. Yvette Meißner, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin

 

Frauen mit Morbus Bechterew, die schwanger werden wollen oder bereits schwanger sind, haben viele Fragen, die über die von „gesunden“ Frauen mit Kinderwunsch hinausgehen: Welche Risiken ergeben sich für mich durch eine Schwangerschaft? Wird sich meine Erkrankung während der Schwangerschaft verändern? Welchen Einfluss hat ein Krankheitsschub auf das ungeborene Kind? Brauche ich Medikamente während der Schwangerschaft? Und sind diese Medikamente schädlich für mein Kind?


Schwangerschaftsregister in der Rheumatologie

Möchte man zuverlässige Antworten auf diese Fragen erhalten, muss man eine Vielzahl an Informationen von einer möglichst großen Zahl an Schwangeren mit Morbus Bechterew zusammentragen. Dafür sind große Beobachtungsstudien und Register das beste Mittel der Wahl. In Deutschland werden seit dem Jahr 2015 im Schwangerschaftsregister Rhekiss Daten zu Schwangerschaften und Kinderwunsch bei Frauen mit entzündlich-rheumatischen Krankheiten erhoben. Dazu zählen auch Schwangerschaften von Frauen mit Morbus Bechterew, die in Rhekiss in der übergeordneten Gruppe der Spondyloarthritiden erfasst werden.

Die Frauen werden entweder bereits mit dem Kinderwunsch oder während der Frühschwangerschaft von ihrem behandelnden Rheumatologen/ihrer behandelnden Rheumatologin zur Beobachtung in das Register eingeschlossen. Das heißt, dass regelmäßig bei den ärztlichen Besuchen dokumentiert wird, ob es Krankheits­schübe oder Komplikationen gab, welche Medikamente die Frau erhält, wie die Schwangerschaft verläuft und das Kind sich entwickelt. Auch die Betroffene macht in speziellen Fragebögen Angaben zum Verlauf ihrer Erkrankung und der Schwangerschaft. Dies ist sowohl über den Webbrowser als auch über eine App möglich.

Sorgen wegen der Schwangerschaft

Bei Eintritt in das Rhekiss Register werden die Frauen gefragt, welche Erwartungen sie haben und welche Sorgen sie sich machen. Jede vierte Frau mit einer Spondyloarthritis, die schwanger werden wollte, gab an, dass sie eine Verschlechterung der rheumatischen Erkrankung durch die Schwangerschaft befürchte. Ein ebenso großer Anteil ging davon aus, dass sich die Krankheit verbessere, und etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen erwartete keine Veränderung (Abbildung 1, links). Bei der Frage nach dem Ausmaß der Sorgen um die Schwangerschaft und die Gesundheit des Kindes antwortete jede dritte Frau, dass sie sich „sehr“ sorgte, die Hälfte der Teilnehmerinnen sorgte sich ein wenig (Abbildung  1, rechts). Jüngere machten sich mehr Sorgen als Ältere, und Frauen, die sich von ihrer Krankheit stärker betroffen fühlten, sorgten sich mehr als Frauen, die sich weniger betroffen fühlten. Zudem erhöhte die Umstellung der rheumatischen Therapie aufgrund des Kinderwunsches bzw. der Schwangerschaft den Grad der Sorge.

Wenn man bei Schwangerschaften von Frauen mit einer chronischen Erkrankung Risiken, Komplikationen oder auch den Einfluss von Medikamenten genauer untersuchen möchte, braucht man eine hinreichend große Anzahl von Schwangerschaften. Um dies zu erreichen, arbeitet Rhekiss mit anderen europäischen Schwangerschaftsregistern in der Rheumatologie zusammen. Die Kooperation „European Network of Pregnancy Registers in Rheumatology“ besteht seit Herbst 2017, und neben Rhekiss gehören Schwangerschaftsregister aus Frankreich, Norwegen und der Schweiz dazu. Ziel der Zusammenarbeit ist es, alle Informationsquellen gemeinsam zu nutzen und eine größere Anzahl von Schwangerschaften betroffener Frauen auszuwerten, um somit zuverlässige Ergebnisse zu erzielen.
 

Geplant in die Schwangerschaft

Eine der Auswertungen rückte Frauen mit Spondyloarthritis in den Fokus. Wir konnten zeigen, dass sich die Betreuung durch Rheumatolog:innen während der Schwangerschaft positiv sowohl auf den Verlauf als auch auf den Ausgang der Schwangerschaft auswirkt. Bei den rheumatologisch betreuten Schwangerschaften von Frauen mit Spondyloarthritis traten weder Präeklampsie (früher auch als Schwangerschaftsvergiftung bezeichnet) noch Frühgeburten oder ein zu geringes Geburtsgewicht der Neugeborenen häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Beratung durch Rheumatolog:innen bei Kinderwunsch, der sorgfältigen Planung der Schwangerschaft und der engmaschigen Überwachung der chronischen Erkrankung während der Schwangerschaft.

Auch wenn in den vergangenen Jahren immer mehr Erkenntnisse zu Schwangerschaften von Frauen mit rheumatischen Erkrankungen wie beispielsweise Morbus Bechterew gewonnen wurden, besteht weiterhin ein hoher Bedarf an zuverlässigen Daten, zum Beispiel zur Sicherheit von Therapien, die während der Schwangerschaft eingesetzt werden.

Damit eine optimale Familien­planung bei allen Frauen mit Morbus Bechterew zu einem realistischen Ziel wird, ist es wichtig, dass diese Frauen vor und während der Schwangerschaft nicht nur gynäkologisch, sondern auch rheumatologisch beraten und betreut werden. Es ist wichtig, dass die betreuenden rheumatologischen und gynäkologischen Einrichtungen zusammenarbeiten, da sich zum Beispiel einseitige Therapie-Entscheidungen ungünstig auf den Schwangerschaftsverlauf auswirken können. Die Beratung sollte auf zuverlässigen Informationsquellen und gesicherten Daten basieren, zu denen Register und Register-Kooperationen, wie die hier vorgestellte, einen wertvollen Beitrag leisten können.

Ein Register wird nur dann aussagefähige Ergebnisse erbringen, wenn viele Betroffene aktiv daran teilnehmen. Wenn Sie Kinderwunsch haben oder bereits schwanger sind, bitten wir Sie, am Rhekiss Register teilzunehmen und Ihre Rheumatologin/Ihren Rheumatologen darauf anzusprechen.