Wie erleben Morbus-Bechterew-Betroffene ein hochintensives Training?
Vereinfachter Kurzbericht über die Veröffentlichung „How Do Patients With Axial Spondyloarthritis Experience High‐Intensity Exercise?“ von Annelie Bilberg, Silje H. Sveaas, Hanne Dagfinrud und Kaisa Mannerkorpi, erschienen in ACR Open Rheumatol. 2020 Apr; 2(4): 207–213, doi: 10.1002/acr2.11128, zusammengefasst von Julia Messner
Traditionell wird zur Behandlung von Morbus Bechterew die Kombination von medikamentöser und physiotherapeutischer Behandlung empfohlen. Klassisch: Dehnungen, um die Mobilität aufrechtzuerhalten.
Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass sich aerobes Training in ausreichend hoher Intensität als wirksam erwiesen hat, um die körperliche Funktion, Steifheit (u. a. Pecourneau 2018, O’Dwyer 2014) und die Herz-Kreislauf-Gesundheit (u. a. Sveaas 2014) bei Betroffenen zu verbessern.
Andere Studien deuten auf die positiven Auswirkungen von hochintensiven Trainingseinheiten auf das Herz-Kreislauf-System bei Betroffenen mit rheumatischen Erkrankungen hin (u. a. Sveaas 2014). Dennoch wird diese Trainingsmethode immer noch nicht vollständig von Gesundheitsfachleuten akzeptiert und angewandt.
Die Frage, wie Betroffene von Morbus Bechterew ein hochintensives Training erleben, hat sich ein skandinavisches Forschungsteam gestellt , u. a. bestehend aus Physiotherapeut:innen mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Rheumatologie. Die wichtigsten Antworten darauf erwarten Sie im Folgenden.
Die Studie
14 Morbus-Bechterew-Betroffene haben im Rahmen der Studie an einem 12-wöchigen hochintensiven Trainingsprogramm teilgenommen. Das Durchschnittsalter betrug 53 Jahre und reichte von 23 bis 63 Jahren. Sowohl Männer als auch Frauen unterschiedlicher ethnischer Herkunft waren vertreten. Alle Befragten hielten sich zu mehr als 80 % an das vorgeschriebene Programm. Vor Beginn führte keiner regelmäßig Ausdauer- oder Krafttraining von mehr als einer Stunde pro Woche durch, was auf eine geringe bis moderate Fitness hinweist.
Trainingsprogramm der Studie
Das Trainingsprogramm im Rahmen der Studie umfasste:
- 2 x wöchentlich: 40 Minuten Intervalltraining auf Ergometer-Fahrrädern, aufgeteilt in Belastungsintervalle von vier Minuten bei 90–95 % der maximalen Herzfrequenz, gefolgt von drei Minuten aktiver Erholung bei mehr als 70 % der maximalen Herzfrequenz. Die maximale Herzfrequenz jedes Teilnehmenden wurde zu Beginn ermittelt und von einer Pulsuhr überwacht.
- 2 x wöchentlich: 20 Minuten Krafttraining, das individuell angepasst wurde und sich auf große Muskelgruppen konzentrierte (acht bis zehn Wiederholungen und zwei bis drei Sätze)
- 1 x wöchentlich: 40 Minuten eine aerobe Übungseinheit nach Wahl, bei mehr als 70 % der maximalen Herzfrequenz
Alle Trainingseinheiten fanden in einem Krankenhaus statt und wurden von einem Physiotherapeuten geleitet und überwacht. Die
Ergebnisse können sich sehen lassen
- Hochintensives Training als Herausforderung für Körper und Geist:
Ursprünglich betrachteten die Befragten die Hochintensitätsübungen als etwas, das nur für gesunde Menschen und Athleten reserviert war. Sie befürchteten, möglicherweise nicht in der Lage zu sein, die Übungen durchzuführen. Durch die Selbsterfahrung beschrieben die Befragten jedoch, dass sie sich erstmals bis an ihre Leistungsgrenze bringen konnten, positive Effekte erzielten, ohne ihre Gesundheit zu gefährden.
- Gestärktes Vertrauen in den eigenen Körper:
Gute Stimmung – das Übungsprogramm schien eine positive Wirkung auf den mentalen Zustand der Befragten gehabt zu haben, da sie nach dem Training von einer guten Stimmung sprachen. Neue Einblicke in das, wozu ihre Körper fähig waren, schienen ihr Vertrauen in ihren eigenen Körper erhöht zu haben.
- Veränderte Einstellung zu Bewegung:
Die Befragten beschrieben, wie sie gelernt hatten, zwischen Schmerzen, die mit Muskelkater zusammenhängen, und Schmerzen oder anderen Symptomen im Zusammenhang mit der Krankheit zu unterscheiden. Parallel dazu lernten sie, ihr Trainingsniveau an ihre täglichen Symptome anzupassen. Das Übungsprogramm schien die Befragten zu einer Veränderung ihrer Motivation angeregt zu haben, denn nach einer Weile begannen sie, gegen sich selbst und andere in der Gruppe anzutreten. Einige setzten das Training sogar nach Ende des Programmes auf ähnliche Weise fort, einfach aus Freude daran.
- Übernahme von Verantwortung für die eigene Gesundheit, trotz der Herausforderung durch die Krankheit – Umkehrung einer Abwärtsspirale:
Die Befragten beschrieben den Verlauf ihrer rheumatischen Erkrankung im Laufe der Jahre als eine Abwärtsspirale mit zunehmender Steifheit, Schmerzen und einem steigenden Bedarf an Schmerzmitteln. Sie hatten sich allmählich an ein Leben mit Schmerzen und Aktivitätseinschränkungen angepasst. Sie beschrieben, wie sie durch das Übungsprogramm Werkzeuge erhalten hatten, um ihre Krankheit zu bewältigen, sich unabhängiger fühlten und daher ihre Krankheit besser kontrollieren konnten.
Sie haben eine andere Perspektive gewonnen: Statt sich nur körperlich eingeschränkt zu fühlen, fühlten sie sich jetzt besser und Bewegung war keine Erinnerung mehr an ihre funktionellen Einschränkungen. Mit der Verbesserung eines Aspekts ihrer Gesundheit schienen sie sich stärker der Bedeutung anderer Aspekte bewusst geworden zu sein, die ihre Gesundheit insgesamt positiv beeinflussten.
- Bewegung im sozialen Kontext:
Die betreuten Trainingseinheiten wurden von den Befragten als angenehm und unterhaltsam beschrieben, auf die sie sich freuten. Einige der Befragten, die keine Motivation zum Training hatten, fanden die Unterstützung, die sie benötigten, um körperlich aktiv zu sein, durch den sozialen Kontext. Die Tatsache, dass die anderen Gruppenmitglieder dieselbe Krankheit und die gleichen körperlichen Beschwerden teilten, half ihnen dabei, durch Perioden mit verstärkten Symptomen und Energiemangel hindurchzukommen.
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend wurde hochintensives Training von den Studienteilnehmenden als körperliche und mentale Herausforderung erlebt, als anspruchsvoll und fordernd. Dennoch erwies es sich als eine bewältigbare Methode zur Steigerung von Fitness und allgemeiner Gesundheit.
Die schnelle körperliche Verbesserung durch das Training stärkte das Vertrauen in den eigenen Körper, was die Bindung an ein Trainingsprogramm zu erhöhen scheint. Die neuen Erfahrungen veränderten die Einstellung und Motivation zu Bewegung und halfen, mit der Krankheit umzugehen.
Die Teilnahme an einem solchen Training und die Aufsicht durch kompetente Physiotherapeut:innen kann das Selbstwirksamkeitsgefühl steigern. Gleichzeitig bietet das Gruppentraining mit Gleichgesinnten einen sozialen Kontext, der hilft, dem anspruchsvollen Programm treu zu bleiben.
Die gesamte Studie finden Sie hier.