Wirbel um die Jak-Hemmer

 

Von Dr. med. Gudrun Lind-Albrecht 

 

Während die eigentliche Revolution in der Therapie der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) bzw. des gesamten Formenkreises der Spondyloarthritiden vor gut 20 Jahren begann, und zwar durch die Blockade der entzündungsfördernden Botenstoffe (mittels TNF-Blockern, IL17-Blockern etc.), ergab sich vor wenigen Jahren noch ein besonderes Highlight durch die so genannten Jak-Hemmer (Januskinase-Hemmer). Diese auch als „small molecules“ bezeichneten Medikamente haben für eine ganze Reihe von Betroffenen ein paar entscheidende Vorteile: 

  1. Sie wirken sehr schnell und sie sind sehr kurzfristig steuerbar – das ist nützlich beim kurzfristigen Pausieren wegen Infekten oder Operationen. 
  2. Sie werden als Tabletten eingenommen, was für Menschen mit Abneigung gegen Spritzen und Infusionen eine Erleichterung ist und was die Aufbewahrung und Vorratshaltung zu Hause sowie den Transport auf Reisen deutlich vereinfacht.

Zunächst (ab 2017) waren die Jak-Hemmer nur für die rheumatoide Arthritis und die Colitis ulcerosa zugelassen, weshalb wir auch zu diesen Erkrankungen die ältesten Langzeitdaten über die Verträglichkeit und die möglichen Nebenwirkungen der Jak-Hemmer haben. Diese Langzeitdaten beziehen sich vorwiegend auf einen bestimmten Jak-Hemmer, nämlich das Tofacitinib (Xeljanz®). Im Jahr 2021 wurde bei uns der Jak-Hemmer Upadacitinib (Rinvoq®) für die Spondylitis ankylosans zugelassen. In Heft 169 (Juni 2022) berichteten wir über eine Literatur-Übersicht zur Wirksamkeit von Jak-Hemmern bei Spondylitis ankylosans. Baricitinib (Olumiant®) und Tofacitinib (Xeljanz®) waren zuvor schon für die Arthritis psoriatica zugelassen worden. 


Frühzeitig gewarnt waren wir in der Rheumatologie vor einer bestimmten möglichen Nebenwirkung des Jak-Hemmers Tofacitinib (Xeljanz®) in höherer Dosierung (die aber hierzulande nur bei Colitis ulcerosa gehandhabt worden war): Das war die Erhöhung des Thrombose-Risikos. Auch eine leicht erhöhte Rate an so genanntem „weißen Hautkrebs“ zeigte sich bald, weshalb wir zu einem regelmäßigen hautärztlichen Screening rieten.


Im März 2021 erschien erstmals ein so genannter „Rote-Hand-Brief“ des BfArM (Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte) in Abstimmung mit der betroffenen Pharma-Industrie sowie der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur), der sich auf den Jak-Hemmer Tofacitinib (Xeljanz®) und auf dessen Anwendung bei der rheumatoiden Arthritis bezog. Dieser wurde nachfolgend mehrfach aktualisiert und schlussendlich auf alle Jak-Hemmer und alle Diagnosegruppen erweitert und (Stand bei Redaktionsschluss) zuletzt im März 2023 aktualisiert. In dieser Fassung wird empfohlen,  bei folgenden Personengruppen die Jak-Hemmer nur dann einzusetzen, wenn keine geeignete andere Therapie zur Verfügung steht: 

  • bei Menschen ab dem Alter von 65 Jahren, 
  • bei Raucher:innen oder ehemaligen Langzeit­raucher:innen, 
  • bei Betroffenen mit Risikofaktoren für arteriosklerotische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (also u. a. für Herz­infarkt, Schlaganfall), 
  • für venöse Thrombosen und Embolien 
  • und bei Betroffenen mit erhöhtem Risiko für Krebs­erkrankungen.

Was war geschehen?

In der ORAL-SURVEILLANCE genannten internationalen Langzeitstudie mit Beo­bachtung über etwa 6 Jahre zum Jak-Hemmer Tofacitinib (Xeljanz®) im Vergleich zu TNF-Blockern (!) hatte sich für Behandelte, die älter als 50 Jahre waren und mindestens einen Risikofaktor für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder für Krebserkrankungen vorwiesen, unter Tofacitinib ein höheres Risiko gezeigt als unter TNF-Blockern: Es traten in der Tofacitinib-Gruppe mehr Fälle von Herzinfarkt, Lungenkrebs und Lymphknotenkrebs auf als in der TNF-Blockergruppe. Nachfolgende Auswertungen der Daten ergaben, dass die Herzinfarkt-Rate nur bei den Betroffenen mit zuvor schon bestehenden Verengungen der Herzkranzgefäße erhöht war. Auch wurde deutlich, dass die Risikoerhöhung überwiegend bei Behandelten aus Nordamerika und/oder unter höherer Dosierung des Jak-Hemmers auftrat. In europäischen Langzeitdaten zum Baricitinib (Olumiant®) bei rheumatoider Arthritis zeigte sich dann auch –im Vergleich zur TNF-Blocker-Gruppe – eine erhöhte Rate an schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und an Thrombosen bzw. Embolien. Spätestens nach den erwähnten Rote-Hand-Briefen mit der generalisierten Warnung resultierte eine gewisse Verunsicherung unter Behandelten und Behandler:innen. Vor allem eine Frage galt es zu beantworten: Was geschieht mit Patient:innen, welche die genannten Risikofaktoren vorweisen, die aber bereits auf Jak-Hemmer eingestellt sind und eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit berichten?    

Inzwischen sind Daten von einer ganzen Reihe von Langzeitbeobachtungen zu allen auf den Markt befindlichen Jak-Hemmern und zu anderen Diagnosegruppen vorhanden. Diese wurden auch auf dem diesjährigen europäischen Kongress für Rheumatologie (EULAR 31.05.­–­03.06.2023) in Mailand vorgestellt. Es ergibt sich nun folgendes Bild: Wenn der Vergleich gezogen wird zwischen der Rate an Komplikationen unter den mit Jak-Hemmern Behandelten und der zu erwartenden Rate in der Gesamt-Population für die jeweilige Komplikation, dann ergab sich meist keine erhöhte Rate unter Jak-Hemmern. Bei Personen ab dem Alter von 65 Jahren oder mit mindestens einem schon vorhandenen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen konnten jedoch unter Filgotinib (Jyseleca®) erhöhte Raten an Komplikationen gefunden werden (M H Buch, EULAR 2023).

Anhand der Daten-Auswertung über insgesamt 15.000 Therapiejahre von fast 7000 Behandelten mit Upadacitinib (Rinvoq®), davon auch 182 Betroffene mit Spondylitis ankylosans, berichten Prof. Gerd Burmester und seine internationalen Kollegen über eine erhöhte Rate für „weißen Hautkrebs“ und für die Gürtelrose, aber keine erhöhten Raten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Thrombosen/Embolien und keine weitere erhöhte Krebs-Rate im Vergleich zu Therapierten mit TNF-Blockern oder MTX (Burmester et al. BMJ, RMD open 2023).  

Europäische umfangreiche Register-Daten – sozusagen „Real-Life-Daten“ – haben die ansonsten aus der ORAL-SURVEILLANCE-Studie abgeleiteten Risiken nicht bestätigt. Anhand einer umfangreichen Sicherheitsauswertung von insgesamt 39.000 Betroffenen mit rheumatoider Arthritis errechnete sich für Behandelte mit Jak-Hemmern zwar eine höhere Rate an Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems, an venösen Thrombosen und an Krebserkrankungen als für Behandelte mit TNF-Blockern. Allerdings waren diese Raten an Komplikationen immer noch deutlich geringer als in der Gruppe der mit den „klassischen“ Nicht-Biologika-Dauertherapien (wie z. B. MTX) Behandelten (X Sendaydiego et al., 2023).   


Es sieht also alles danach aus, dass eine frühzeitig begonnene und langfristig effektive Eindämmung der Entzündungsaktivität ein wesentliches Kriterium darstellt, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebs-Arten niedriger zu halten. Hier sind eben die „neueren“ Therapien wie die Biologika und auch die Jak-Hemmer den „alten“ Therapieformen überlegen. Dass die Jak-Hemmer ihrerseits aber nicht so gut abschneiden wie die TNF-Blocker, mag daran liegen, dass sie selten primär eingesetzt werden, sondern meist erst nach (mehreren) erfolglosen Einsätzen anderer Therapien zum Zug kommen, also nachdem schon viel Zeit mit hoher Krankheitsaktivität vergangen ist.  


Auf der Homepage der DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) sind, für jede:n nachzulesen, im März 2023 Details zu den vorliegenden Studien sowie resultierende Empfehlungen zum Umgang mit der Problematik veröffentlicht. Die Empfehlung bei geplanter Neueinstellung auf Jak-Hemmer orientiert sich im Wesentlichen an o. g. Empfehlungen des Rote-Hand-Briefes. Betont wird, dass es kein „Verbot“ der Jak-Hemmer bei Vorhandensein der dargestellten Risikofaktoren gibt. Ein sorgsames Abwägen und eine gute Aufklärung der Patient:innen (shared decision) sind wichtig. Bei bereits laufender Therapie mit Jak-Hemmern sollte eine Nutzen-Risiko-Abwägung gemäß dieser Punkte erfolgen – im Rahmen einer offenen Kommunikation mit den Behandelten. Auch eine Dosis-Reduktion kann erwogen werden. Wichtig ist die Vermeidung einer unkontrollierten Entzündungsaktivität der rheumatischen Erkrankung, denn diese erhöht ihrerseits das Risiko z. B. für Herz-Kreislauf-Ereignisse. Selbstverständlich obliegt es den Betroffenen, ihr Risikopotenzial eigenständig zu vermindern, d. h. nicht zu rauchen, sich gesund zu ernähren und ausreichend zu bewegen, und die Krebsvorsorge-Untersuchungen zu nutzen – inkl. Hautkrebs-Screening.